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Menschen im Museum: „Digitale Restaurierung“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Wir fragen unsere Kinder gerne, was sie später im Leben einmal werden möchten. Das ändert sich nämlich beinahe täglich. Von Astronaut über Imker bis hin zu Kuscheltierfabrikant war schon alles dabei. Natürlich hoffen wir, dass es auch in der Zukunft Reisen ins Weltall, Bienen und Kuscheltiere geben wird. Aber es gibt einen Beruf, von dem ich mir absolut sicher bin, dass ihm die Zukunft gehören wird, weil er sich mit unserer digitalen Vergangenheit beschäftigt: der digitale Restaurator.

Wir alle kennen dieses Phänomen: Der Laptop gibt von heute auf morgen den Geist auf und weg sind die süßen Kinderfotos vom letzten Urlaub mit der Großmutter, scheinbar für immer verloren. Mit Glück hatte man sie auf einer externen Festplatte gespeichert. Aber auch externe Festplatten haben ein Ablaufdatum. Und was kommt dann?

Das ZKM in Karlsruhe hat es längst erkannt. Auch andere Museen kommen langsam drauf, dass man Digitales anfangen muss zu sammeln, zu speichern und zu analogisieren, um Inhalte auf Dauer zu bewahren, weil viele unserer Datenträger nach einem, spätestens zwei Jahrzehnten nicht oder nur noch mangelhaft funktionieren. Selbstgebrannte CDs haben beispielsweise nach 10 Jahren eine durchschnittliche Ausfallquote von 50 Prozent!

Hier kommt der digitale Restaurator ins Spiel. Und nein, er ist nicht zu verwechseln mit dem Freund Ihrer Tochter, der eine altmodische Hornbrille trägt und den seine Freunde gerne als Nerd bezeichnen. Denn bei der digitalen Restaurierung geht es um mehr, nicht nur um die Wiederherstellung von Daten wie Urlaubsfotos, Diplomarbeiten oder dem leider versehentlich gelöschten E-Mail-Account. Es geht um nichts weniger als um die Rekonstruktion unseres Alltags durch die Zugänglichmachung von Datenträgern, die sich schon wenige Jahre nach ihrer Produktion selbst überlebt haben.

Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Archäologenteams im Jahre 2150. Was werden die wohl über uns eines Tages sagen und denken? Wir waren und sind die Generation des beginnenden, digitalen Zeitalters. Ich bin jetzt 43 Jahre alt, aber ich kann mich noch gut an eine Zeit ohne Computer in jedem Haushalt erinnern. Und nun speichere ich auf meinem Handy Fotos ab, für die ich früher, im analogen Zeitalter, mehrere Dutzend Filmrollen gebraucht hätte. Das Gute an den Filmrollen war: Einmal ausgearbeitet, waren die Fotos fit für eine halbe Ewigkeit, denn kaum etwas ist so beständig wie Papier.

Jetzt lagern viele unserer Aufnahmen, Briefe (sprich: Mails) auf Speichermedien, die unsere Enkelkinder bereits nicht mehr werden lesen können, weil es schlichtweg keine Geräte mehr geben wird, die noch im Stande sein werden, USB-Sticks zu öffnen, weder die Hardware noch die Software betreffend. Glauben Sie nicht? Nun, können Sie noch Floppy Discs einlesen? Eben.

Nichtsdestotrotz wird unser ganzer privater, digitaler Müll noch da sein, in 50, 100 oder auch 500 Jahren. Und um den wieder zugänglich zu machen, wird es jemanden geben müssen, der nicht nur Daten von alten Datenträgern herunterlesen kann, sondern der die Geräte baut, die das Lesen überhaupt erst möglich machen werden – eine Art MacGyver des Archivwesens, den digitalen Restaurator bzw. die digitale Restauratorin. Denn sonst werden die Archäologen der Zukunft uns als die verlorene Generation bezeichnen müssen, von deren Alltag in den Museen der Zukunft nicht viel mehr zu sehen sein wird als ein verstaubtes, altes MacBook, von dem keiner weiß, was es je enthielt.

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Ein Gedanke zu „Menschen im Museum: „Digitale Restaurierung““

  1. Interessante Perspektive! Ich hatte noch nie daran gedacht, dass der digitale Restaurator der Job der Zukunft sein kann. Ich würde definitiv jemanden beauftragen, um alte Urlaubsfotos und gelöschte Daten wieder herzustellen. Danke für den Beitrag, sehr interessant!

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