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Menschen im Museum: „Die dunkle Seite der Archivarin“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Sie trägt keine Handschuhe! Rey fasst das wertvolle Artefakt einfach so mit ihren bloßen Händen an! Und während sich alle anderen Zuschauer in Kinosaal mit Genuss dem Kinoereignis des Jahres hingeben, erliege ich der Déformation professionnelle und kann an nichts anderes mehr denken als an weiße Baumwollhandschuhe. Zur Hölle mit der hellen Seite der Macht! Die dunkle Seite trägt wenigstens Handschuhe!

Zunächst einmal spreche ich eine Warnung an alle Fans der Star-Wars-Filme aus, die es tatsächlich immer noch nicht geschafft haben, Teil 9 der Saga im Kino anzuschauen: Die folgenden Zeilen könnten einige Spoiler enthalten. An alle Menschen, die im Archivwesen tätig sind, ergeht gleichfalls eine Warnung: Ihr müsst jetzt ganz, ganz tapfer sein! Denn was ich euch nun zu berichten habe, stellt euch sicher die Nackenhaare auf.

Im letzten Teil der Trilogie um Rey, Kylo, Poe und Finn („Der Aufstieg Skywalkers“) begibt sich die gute Rey auf die Suche nach einem Raumschiff in die Wüste. (Den Planeten dazu hab ich schon wieder vergessen. Der Film enthält eine ganze Menge Ortswechsel.) Sie findet das Raumschiff, stürzt in eine Sandgrube, hat eine Art Harry-Potter-Moment (Wir erinnern uns an den Basilisken aus Teil 2 der Potter-Filme und wissen, was J.J. Abrams zu seiner Sandschlange inspirierte.), findet ein besonderes Artefakt (einen Dolch) und – dramatischer Tusch – fasst ihn an! Ohne Handschuhe! Gruuuselig! Allein die Fingerabdrücke auf dem Teil werden sich dort dank ihrer Schweißfinger bis in alle Ewigkeit einbrennen. Die Archivarin in mir heult auf. So ein wichtiges Ding fasst man doch nicht einfach so mit den Fingern an!

Aber es kommt noch schlimmer. Der Dolch führt nach einer langen Odyssee zum Wrack des Todessterns (den dazugehörigen Planeten hab ich auch vergessen) und dort lagert dann ein so genannter Sith-Wegweiser. Wohin der führt verschweigen wir jetzt mal. Und was tut Rey? Sie fasst das Teil schon wieder ohne Handschuhe an! Ja, ist denn das zu fassen? Nun gut, es lagerte einige Jahrzehnte mitten im Meer auf einem von Salzwasser zersetzten Todessterngerippe, aber dennoch: Wenn das Ding schon so wichtig ist, wieso denkt dann nur Kylo daran, es nicht mit bloßen Händen anzugrapschen?

Und nun kennen Sie die dunkle Seite der Archivarin, die jahrelang im Museum Objekte in säurefreies Papier umgelagert hat und es nicht ertragen kann, wenn im Film wertvolle Kunstgegenstände mit dreckigen Patschefingern berührt werden. Und da bildet Star Wars 9 leider keine Ausnahme. So etwas kommt sogar in den besten Dokus vor, wo man zusätzlich noch einen fetten Scheinwerfer auf das einzige, erhaltene Schriftstück hält, dass uns über die Existenz Hannibals Auskunft gibt. Nein, nicht Lecter. Der Echte! Der mit den Elefanten!

Es macht mich fertig. Als ob bei Filmaufnahmen plötzlich alle Gesetze des Archiv- und Bibliothekenwesens außer Kraft gesetzt werden, tapsen sich die Menschen durch Kirchenchroniken aus dem 16. Jahrhundert („My Heritage“) oder es schrecken selbst erfahrene Archäologen nicht davor zurück, Sarkophage mit den bloßen Finger zu berühren (kommt in so gut wie jeder Ägypten-Doku vor). Es ist zum Heulen.

Kümmert Sie nicht? Sie wollen wissen, wie ich den neuen Star Wars Film fand? Abgesehen vom gruseligen Umgang mit wertvollen historischen Objekten war’s super! Es lösen sich jede Menge Handlungsstränge auf und es bleiben kaum Fragen offen. Nicht alles ist wirklich logisch und die Szenen mit der verstorbenen Carrie Fisher wirkten auf mich allzu statisch und irgendwie deplaziert (bei aller Verehrung für Carrie Fisher), aber sonst ist es ein sehr gelungenes Spektakel. Und, ach ja: Kylo macht eine ziemliche Wandlung durch und Adam Driver sieht sogar richtig nett aus, wenn er endlich einmal gelöst lächeln darf. Aber da hat er schon keine Handschuhe mehr an…

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