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Melancholie und Witz: „Herr Klee und Herr Feld“

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Foto © Barbara Röder

Udo Samel und Matthias Habich in der Uraufführung von Michel Bergmanns Theateradaption „Herr Klee und Herr Feld“ an den Kammerspielen Hamburg begeistert gefeiert. Von Barbara Röder.

Zeitgeschichte mit leichter Hand zu präsentieren wird Michel Bergmann gerne von der Presse und seiner zahlreichen Leserschaft bescheinigt. In seinen Romanen „Die Teilacher“ und „Machloikes“ erzählt der Autor von jüdischen Schicksalen in Deutschland, die gewürzt sind mit viel jüdischem Humor. 2013 erschien „Herr Klee und Herr Feld“ als dritter Teil seiner Trilogie über jüdisches Leben in der deutschen Großstadt Frankfurt am Main. Im Rahmen des in ganz Deutschland gefeierten Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ hat Michel Bergmann gemeinsam mit seiner Frau Anke Apelt seinen Roman „ Herr Klee und Herr Feld“ für die Uraufführung am 15. Mai 2022 an den Hamburger Kammerspielen zu einem 100-minütigen Drama adaptiert.

Ida Ehre, Gründerin und Prinzipalin der altehrwürdigen Bretter der Hamburger Kammerspiele, versammelte zeitlebens große Persönlichkeiten, Autoren wie Mimen in ihrer guten Stube. Sie galt als die „Grand Dame“ in der Hamburger Theaterlandschaft und vermochte große Stücke der Weltliteratur und bislang Unbekanntes in ihre Kammerspiele zu holen. Der große Durchbruch gelang ihr Ende 1947 mit der Uraufführung von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“. Dieser Tradition, Unbekanntes, Uraufführungen mit hochkarätigen Schauspielerinnen und Schauspielern der deutschsprachigen Bühne, des internationalen Films und des Fernsehens zu besetzen, bleiben die mit 419 bestuhlten Hamburger Kammerspiele treu.

Viel Plakatives packt Michel Bergmann in seine Story um zwei alternde jüdische Brüder, Streithähne mit großen und kleinen Macken. Beide kommen miteinander aus, jeder auf seine, ihm eigene Art. Über die Gags und den Humor, den der Autor als „jüdisches (Überlebenselixier)“ Moritz und Alfred auf die Zunge legt, wird bei der Premiere viel gelacht, auch lauthals.

Zu lachen habe die beiden aber nichts, als Moritz (Udo Samel) der ordnungsliebende, Schabbat-Gebote einhaltende, ehemalige Professor der Psychologie und Alfred (Matthias Habich), Schauspieler von B-Horrorfilmen von ihrer treuen Haushaltshilfe Frau Stöcklein verlassen werden. Ausgerechnet die Cello spielende Palästinenserin Zamira (Nina Niknafs) gewinnt die Wahl, die „Westend-Luxus-Höhle“ zu hegen und zu pflegen. Zamira ist jung, schön und klug. Zudem kunstsinnig und äußerst diskussionsfreudig. Das verzaubert die beiden junggebliebenen Herren.

Foto ©  Bo Lahola

Obwohl sie der Verwandtschaft in den USA erst einmal sehr skeptisch gestehen: „Sie ist Palästinenserin, ganz ohne Sprengstoffgürtel. Sie ist nett, fleißig – und sie vergiftet uns nicht. Noch nicht!“ Drei unterschiedlich gelebte Leben, drei  komplett andere Welt(ein)sichten prallen da aufeinander. Dem Zuschauer begegnen so humorvolle und ernste Blicke auf die heutigen Konflikte zwischen Israel und Palästina.

Foto ©  Bo Lahola

Unter einem großen, quergestellten Davidstern aus Stahlrohren und auf einem weißen Davidstern auf dem Boden entfachen sich die turbulenten Dialoge und Streitereien. Regisseurin Ulrike Maack setzt ganz im Sinne von Michel Bachmann auf den guten, effektiven Schlagabtausch von Wort, Witz und Ton. Liebevoller und genauer hätte aber die Recherche über den Beruf einer Musikerin, den Zamira eigentlich hat, schon sein können. Das hätte der Figur deutlich mehr Profil verliehen. Denn Nina Niknafs behauptet sich gut in der Rolle der nachdenklichen, nachfragenden Zamira. Sie bietet den beiden wunderbaren Schauspielern Udo Samel und Matthias Habich erkennbar Paroli. Auch die übrigen Rollen sind adäquat, dem Stück wohltuend besetzt. Monika Häckermann gibt die beherzte, nach 30 Jahren Dienst im Hause Kleefeld aufbegehrende Frau Stöcklein. Als besorgter, junger Arzt überzeugt Riccardo Ferreira. Urkomisch sind die Verwandlungskünste von Angelika Bartsch, die diverse online Bewerberinnen für die Stelle der Haushaltshilfe spielt. Yannik Meyer hat ein kleines Intermezzo als Zamiras Verflossener.

Foto ©  Bo Lahola

Sicher es gibt witzige Momente. Zum Beispiel als Alfred, Matthias Habich, in einem Video den besitzergreifenden Freund Zamiras in formvollendeter Draculamontur, weiß gefärbtem Gesicht und spitzen Beißerchen, verscheucht. Die Reduzierung der üppigen Celloliteratur auf das Präludium aus der ersten Cellosuite in G-Dur von Johann Sebastian Bach, Zamira spielt dieses zur nächtlichen Stunde oder dass die Cellistin im West-Eastern Divan Orchester nach einem Anruf von Moritz beim Maestro Daniel Barenboim aufgenommen wird, empfinde ich als unglaubwürdig. Im Buch „Herr Klee und Herr Feld“ geht die Geschichte ein wenig anders aus: Zamira ist Geigerin. Sie und Moritz, der gerne auf seinem Steinway Flügel in der Westendvilla spielt, musizieren oft zusammen. Zamira heiratet. Moritz wird glücklicherweise von Frau Stöcklein aus seinem häuslichen Chaos, in das er zu versinken droht, gerettet.

„Die Liebe bleibt über den Tod hinaus…“

Im prägnanten Schlussmonolog von Moritz, Freddy ist verstorben, bringt Udo Samel es wunderbar sinnierend, liebevoll menschlich zum Ausdruck, was während der langen Beziehungsquengeleien der beiden Brüder immer mitschwang: „ Aber nun ist mein Bruder gestorben und es zerreißt mir das Herz. Wir lebten weit voneinander entfernt. Und doch waren wir uns näher als wir glaubten.“

Und wie formulierte es Matthias Habich einmal treffend in einem Interview: „Ich persönlich glaube, dass man auch nach dem Tod nicht von der Liebe lässt. Die Liebe bleibt bestehen“.

Foto ©  Bo Lahola

Udo Samel und Matthias Habich gemeinsam auf der Bühne zu sehen ist ein Ereignis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Wann sind diese beiden ungleichen Charakterschauspieler und exquisiten Menschendarsteller in solch hitzigen, humorvollen und zugleich intimen Augenblicken live gemeinsam auf der Bühne zu erleben? Das Leichte und das Schwere gelebten jüdischen Daseins wird Dank dieser beiden Giganten deutscher Sprachkultur in schwebender Balance gehalten. Unbedingt hingehen!

Hier geht’s zu einem 55-minütigen Interview mit Matthias Habich und Udo Samel beim NDR.

Gespielt wird „Herr Klee und Herr Feld“ in den Hamburger Kammerspielen noch bis zum 19. Juni 2022.
Weiter Informationen und Tickets hier.

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