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Meine Bücher! „Mundart“

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frau mit büchern

Kolumne von Susanne Falk.

Dreiundzwanzig Jahre lebe ich jetzt in Wien, arbeite in Wien, schreibe in Wien und was tue ich? Verfasse einen Text auf Plattdeutsch. Soviel zum Thema „Was Heimweh mit Ihnen macht“.

Natürlich übertreibe ich: Das Heimweh, das ich meine, ist kein durchgängig brennendes Verlangen nach dörflicher, norddeutscher Provinz mit schlechter öffentlicher Anbindung und überwiegend miesem Wetter. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Spruch über schlechte Kleidung. Aber dort stehen, am Strand, den Blick aufs Wasser, der Geruch nach Meer in der Nase, den Menschen zuhören, die so klingen wie ich…

Die Website heißt www.översetter.de und war eine echte Entdeckung. So wie alle Übersetzungsprogramme, die es online und umsonst gibt, hat es seine Schwächen, aber es hat mich sehr plötzlich und überraschend meinen sprachlichen Wurzeln wieder näher gebracht. Dabei habe ich nie Plattdeutsch gesprochen. Ich kann es verstehen, ich kann es lesen und mit sehr viel Aufwand und einem herzensguten Schwager, der mich lektoriert, kann ich auch einige Sätze schreiben. Doch warum zum Teufel fange ich nach dreiundzwanzig Jahren in Österreich plötzlich an, in Mundart zu texten?

Wienerisch wäre naheliegend. Nur spricht in meinem gerade erst fertiggestellten Text keiner Wienerisch. Das wäre auch eher ungewöhnlich, spielt er doch in Norddeutschland. Und warum ist das der Fall, höre ich Sie fragen? Good point. 

Früher habe ich mich stets dorthin geschrieben, wo ich hinwollte: Italien, die Vergangenheit oder auch eine harmonische Umgebung, die ich und nur ich kontrollieren konnte. (Privileg der Autorin: Alles hört auf mein Kommando!). Da gab es auch zwei Norddeutschlandbücher, in denen kein Mensch Plattdeutsch sprechen musste, damit ich mich den Figuren nahe fühlen konnte. Doch nun haben die Charaktere ein gewisses Eigenleben entwickelt (so viel zum Thema „Keiner hört auf mein Kommando.“) und ich brauche offensichtlich Mundart, um mich in meiner eigenen Sprache zu Hause zu fühlen.

Heimatdichter – das klang früher so unglaublich altbacken. Aber vielleicht fühlen sich Heimatpoeten auch einfach nur wirklich, wirklich wohl wo sie sind? Oder sie sind, im Gegenteil, wahnsinnig unglücklich und müssen sich dorthin zurückschreiben, wo sie eigentlich sein wollen? Und was sagt das jetzt über mich aus? Puh, zu viel der Selbstanalyse.

Ich bin gerne dort, wo ich bin, und das ist Wien. Aber was spricht dagegen, ab und zu mal den eigenen Wurzeln nachzuspüren? Eben, gar nichts. Also darf es auch mal Plattdeutsch sein. Es heißt ja nicht umsonst Mund-art im Sinne von Kunst.  

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

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