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Malen in Sandalen: Lawrence Alma-Tadema im Wiener Belvedere

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Malen in Sandalen: Lawrence Alma-Tadema im Wiener BelvedereWenn Sie als Kind Die letzten Tagen von Pompeij gelesen haben und ein Fan des Historienfilms Gladiator sind, werden Ihnen auch die Gemälde von Lawrence Alma-Tadema gefallen. Stephan Reimertz begibt sich in die Arena.

Stellen Sie sich vor, Franz von Stuck wäre Anfang des zwanzigsten Jahrhundert nach England gereist, hätte aber auch dort den Lateinunterricht am bayrischen Gymnasium nicht vergessen können und die britischen Inseln immer noch als Teil des römischen Reiches empfunden. Alles was er in Britannien gemalt hätte, wäre irgendwie römisch gewesen. Als einen solchen naiven Humanisten mit provinziellem Einschlag darf man sich Lawrence Alma-Tadema vorstellen. Seine mit Lust ausgeschmückten Vorstellungen des Alten Ägypten und vor allem des Alten Rom waren ernst gemeint, und der in Holland geborene Maler genoss bei der viktorianischen Gesellschaft hohes Ansehen. In der Vorstellung römischer Badehäusern und Lustgärten konnte die Gesellschaft der damaligen Zeit ihre erotischen und narzisstischen Bedürfnisse im Bilde ausleben. Die vom holländischen Fries Museum organisierte Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien zeigt Alma-Tadema als Illustrator geheimer Phantasien im römischen Gewand. Die Werk-Schau nennt sich, auf Baudelaire anspielend, Liebe, Muße und Dekadenz». Der Maler stattet Filme aus, die er noch gar nicht kennt

Sabine Oppolzer charakterisierte im Österreichischen Rundfunk die Themen von Alma-Tadema wie folgt: »Schöne Frauen in wallenden antiken Gewändern, lasziv auf Marmor gebettet, dahinter das azurblaue Meer und herrliche Landschaften.« Finden Sie das kitschig? Abgeschmackt? Vergessen Sie nicht, dass diese Art von Malerei im Zentrum der kontinentalen und englischen Antikenrezeption ihrer Zeit stand und als Symptom des europäischen Gründerzeit-Klassizismus viel vom Selbstverständnis der Zeitgenossen verrät, der typischen Verquickung von Größenphantasien und Untergangsängsten in den europäischen Imperien. Nah verwandt ist ihr die Neorenaissance-Architektur, die damals die ganze Welt eroberte, einschließlich der Vereinigen Staaten. Ein ironischer Verleger hätte Alma-Tademas Rom-Phantasien auch als Illustrationen zu Mommsens Römischer Geschichte abdrucken können. Wir lernen Malerei als Hilfswissenschaft der Archäologie und des Films kennen. Wo die Phantasie des Historikers, des Drehbuchautors endet, macht der Maler konkrete Vorschläge, wie eine Alltagsszene im Alten Rom ausgesehen haben könnte. Dankbar greifen Romanautoren, Bühnenmaler und Filmausstatter Details auf, mit denen der Künstler die Leerstellen ihres Wissens über das Römische Reich ausgemalt hat. So besteht der Clou der Wiener Ausstellung in einer Videoproduktion, die nachweist, wie detailliert sich Sandalenfilme wie Gladiator an Bildideen von Alma-Tadema anlehnen.

Lawrence Alma-Tadema, An Audience at Agrippa’s, 1875
Dick Institute, Kilmarnock – By permission of East Ayrshire Council / East Ayrshire Leisure. Opus CLXI Öl auf Holz 90.8 × 62.8 cm
Privatsammlung, Courtesy Christie’s
Opus CCCLXXVII Öl auf Leinwand 137.7 × 213.4 cm

Schilderer der Antike, von Dämonen frei

Das große Querformat Die Rosen des Heliogabalus von 1888 kann als Hauptwerk der Ausstellung betrachtet werden. Der römische Kaiser aus dem dritten Jahrhundert fasziniert Dichter, Romanciers und Satiriker bis heute. Alma-Tadema widmet ihm ein blumenreiches Bild, in dem sich Friedenssehnsucht und Horror der reichen, aber auch bedrohten Epoche Ende des neunzehnten Jahrhunderts spiegeln. Der Kaiser war syrischer Herkunft und repräsentierte für die Nachwelt den angeblich schädlichen Einfluss orientalischer Kultur. Sein Mythos könnte in unseren Tagen also wieder aufgefrischt werden. Alma-Tadema malt Lustbilder, aber die Besessenheit und das Dämonische Stucks oder Böcklins gehen ihm vollständig ab.

Die Ausstellung in Wien ist undialektisch als rein konsumistische Schau aufgezogen. Der Betrachter soll die Exponate rein positivistisch genießen. Freilich steht das Museum in Wien noch lange nicht in einer Reihe mit gewissen Museen in München oder Paris, wo Galerien in Einkaufspassagen integriert oder selbst zum Shoppingcenter umgebaut wurden. Noch ist das Schloss, das Johann Lucas von Hildebrandt für den Prinzen Eugen baute, nicht zum Einkaufszentrum geworden. Die Neufassung des Schlosses als Museum muss jedoch als misslungen betrachtet werden. Verschenkt wurden die zentralen Prachteingänge. Durch Seiteneinstiege muss man sich überall hinein- und durchzwängen. Offenbart fühlen manche Architekten von heute eine instinktive Neigung zum Dienstboteneingang. Doch wo der Sinn fürs Repräsentative fehlt, da fehlt auch der Sinn für die Kunst.

Lawrence Alma-Tadema. Dekadenz & Antike
Ausstellung bis zum 18. Juni 2017
Katalog zur Ausstellung

Coverabbildung © Prestel Verlag

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