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Im Schein der Zwanziger Jahre

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Im Schein der Zwanziger JahreDas Rupertinum in Salzburg zeigt den Nachlass des Künstlers Georg Eisler. Der 1928 geborener Wiener erweist sich als sehr später Expressionist. Der Schüler von Oskar Kokoschka frappierte auch durch seine Interieurs und stattete Opern aus. Von Stephan Reimertz

Das Rupertinum gegenüber dem Salzburger Festspielhaus ist eines der Museen, die man in dieser Stadt am liebsten besucht. Das ehemalige Priesterseminar mittelalterlichen Ursprungs und frühbarocken Charakters erquickt durch klare Gliederung und intime Atmosphäre. Das Gebäude ist Teil des Salzburger Museums der Moderne, welches immer wieder Ziel von Schenkungen und Erbschaften wird. Ein großer Teil der Arbeit der Salzburger Museumsleute besteht darin, mit diesen Großzügigkeiten fertigzuwerden.

Nun übergab der Georg und Alice Eisler-Stiftungsfonds für bildende Künstler und Komponisten dem Salzburger Museum seinen Bestand an Werken in unterschiedlicher Technik des Künstlers Georg Eisler. Auch auf diesem Künstler lastet ein wehvolles Erbe. Können Sie nur ansatzweise ermessen, wie schwer es ist, sich einen Namen zu machen, wenn bereits die Eltern große Namen besitzen? Eislers Mutter war eine tonangebende Gesangsinterpretin der Wiener Schule. Sein Vater war der Komponist der Zwanziger Jahre.

Das Recht des künstlerischen Kindes

Da das Museum bereits einige Arbeiten von Eisler besitzt, findet sich in Salzburg von nun an ein umfangreiches Konvolut, das all jene interessieren dürfte, die diesen urbanen und umsichtigen Künstler studieren wollen. Tatsächlich verrät uns Georg Eisler, der 1998 in Wien im Alter von siebzig Jahren starb, einiges über unsere eigene Anschauung, unser eigenes Empfinden der Städte und Innenräume, in denen wir leben.

Der Künstler Georg Eisler hat das Recht, ohne Ansehen seiner Eltern angeschaut zu werden. Dieses Recht sollten wir allen Söhnen und Töchtern, die selbst etwas geleistet haben, zugestehen, egal, ob sie Friedemann Bach, Golo Mann oder Jean-Pierre Giraudoux heißen. Im Falle von Georg Eisler ist die Lage indes etwas vetrackter. Auf diesem in Wien geborenen und gestorbenen Künstler lasten nicht allein seine Eltern, sondern die ganzen Zwanziger Jahre.

Fußgeherzone / Georg Eisler 1989 © Rupertinum Salzburg

Georg Eisler bläst uns die Schuppen von den Augen

Für Amerikaner ist moderne deutsche Kunst immer Expressionismus, auch dann, wenn sich der Künstler gegen diese Kunstrichtung gestellt hat. Egal ob Georg Schad oder Max Beckmann: alles German Expressionism! Max Beckmann hat in den USA immer wieder betont: I’m not an Expressionist! Das nützte ihm nichts. Die Leute hören und sehen eben, was sie wollen. Unsere Großstädte haben, wie Golo Mann betonte, mit dem München, Frankfurt, Hannover, Hamburg und Berlin vor dem zweiten Weltkrieg nur noch die Namen gemein. Doch die Touristen aus alle Welt wandeln wie in Trance durch vorgestellte Städte, auch wenn diese sich inzwischen zu Schuhkartonsammlungen verwandelt haben. Und auch uns selbst sind unsere Städte nur erträglich, wenn wir ihnen historische Realität überblenden und so tun, als spazierten wir durch das wirkliche München, das wirkliche Berlin.

Das zeigt uns jetzt Georg Eisler in Salzburg, wenn er dies auch sicher nicht beabsichtigt hat. Der Druck seines Namens, verbunden mit den Erwartungen an einen deutschen Künstler, der von Wien nach London und New York ging, waren so groß, dass er sich nicht zu entziehen vermochte. Die angloamerikanischen Vorausahnungen hat Eisler verinnerlicht und ist ein German Expressionist später Stunde geworden. Er zeigt uns die Städte, in denen wir leben, im Schein der Zwanziger Jahre und weist uns damit die historischen Überblendungen nach, mit denen wir unsere langweilig und steril gewordenen Großstädte in Gedanken verwandeln, um sie überhaupt ertragen zu können.

Georg Eisler. Welt-Anschauung
Ausstellung bis zum 8. April 2018

Rupertinum
Wiener-Philharmoniker-Gasse 9
5020 Salzburg

Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag 10-18 Uhr
Mittwoch 10-20 Uhr
Montag geschlossen

12 Euro/8 Euro

 

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