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Im Palast der Träume: Elena Bashkirova spielt Dvořák

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikDie Grande Dame der russischen Klavierkunst bezaubert mit einem selten gespielten Zyklus böhmischer Charakterstücke. Von Ingobert Waltenberger.

Ein Grund zum Jubeln besteht schon einmal darin, dass endlich wieder einmal ein Solo-Album mit Elena Bashkirova erscheint. Der (schmale) Umfang der Diskographie der Künstlerin steht im diametralen Gegensatz zu ihrer Bedeutung als einer der ganz Großen ihrer Zunft. Als von ihrem Vater Dmitri Bashkirov am Moskauer Tchaikovsky Konservatorium ausgebildete Virtuosin hat sie sich dessen künstlerisches Credo zu Eigen gemacht. In einem Interview hat sie das so formuliert: „Man muss für die Musik brennen, die Musik gut behandeln.“

Diese Einstellung vermittelt uns Elena Bashkirova aus ganzer Seele mit jedem Ton ihres Spiels. Niemals verbissen oder kategorisch, ist ihr Spiel vielmehr gesättigt von Einfühlung, Inspiration des Augenblicks, quirliger Lebensfreude und Humor. Für mich ist ihr Spiel eine Offenbarung an pianistischer Differenzierungskunst (Anschlag, Dynamik, Phrasierung), lyrischer Hingabe und erzählerischer Imagination bei höchster Präzision in der Befolgung der bei Dvořák minutiösen Anweisungen nicht zuletzt des Pedalgebrauchs.

Die vorliegende CD „Poetische Stimmungsbilder“, eine Sammlung von 13 Miniaturen, allesamt versehen mit programmatischen Titeln, basiert auf Dvořáks umfangreichstem Zyklus für Klavier solo. Im Frühjahr 1889 in Vysoká, einem Ort in den Kleinen Karpaten, wo auch Franz Schuberts Vater geboren wurde, vollendet, bildet die Sammlung feine musikalische Vorahnungen zu Dvořáks späteren großen fünf symphonischen Dichtungen.

Elena Bashkirova verbindet mit der Musik den Prager Jugendstil, die Fin-de-siècle Fenster mit ihren schönen Frauengestalten. Die weit deutbaren Programme („Nächtlicher Weg“, „Tändelei“, „Auf der alten Burg“, „Frühlingslied“, „Bauernballade“, Klagendes Gedenken“, „Ein Tanz“, „Koboldstanz“, „Serenade“, „Bacchanale“, „Plauderei“, „Am Heldengrabe“, „Am heiligen Berg“) sprechen von Begegnungen, der märchenhaften Natur, in der Mensch und Tier wandeln, einsam oder zusammen mit anderen. Je nach äußerem oder innerem Wetter ändert sich unverwandt die Stimmung. Die von Dvorak mit feinem Pinsel aufgetragenen Farben bleiben zart verhangen, nur selten erheben sich Töne zu Theaterrot. Volksliedhafte Einfachheit trifft etwa im „Frühlingslied“ auf raffiniert, beinahe körperlose impressionistische Klänge. Bashkirova gelingt es, das Klavier vom ersten Ton an auf das Kommende einzustimmen, wie Maria Callas vor jeder Arie mit ihrem Gesichtsausdruck das Grundgefühl der Heldin vorzugeben wusste.

Die Leichtigkeit des Anschlags evoziert manchmal ein Glockenspiel aus der Ferne, eine Harfe, ein elfenhaft melancholisches Pizzicato („Koboldstanz“). Elegant selbst im Allegro feroce des „Furiant“, erzählt die „Serenade“ von einer geflüsterten Liebeserklärung eines eng umschlungenen Paars. Nachdem charmant „geplaudert“ wurde, darf im vorletzten Stück „Am Heldengrabe“ ein ironisiertes Pathos sanft verklingen.

Das allerschönste am Album ist der Eindruck, dass Bashkirova für sich zu spielen scheint, ganz in ihren persönlichen Palast der Träume versunken, inneren Bildern in einer Intimität  nachhängend, die das Zuhören ein klein wenig zu einem verbotenem Lauschen macht.

Anmerkung: Alle Philips-Aufnahmen mit Bashkirovas erstem Ehemann Gidon Kremer sind längst vergriffen. Ihr letztes Soloalbum liegt fünf Jahre zurück. Auch die Kammermusikaufnahmen vom Jerusalem International Chamber Music Festival sind rar. Hoffentlich gibt es künftig mehr an Entdeckungen von und mit Bashkirova auf Tonträgern zu machen.

Antonin Dvořák
Poetische Stimmungsbilder Op. 95
Elena Bashkirova
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