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Hochkarätiger Ohrenschmaus mit Achtundsechzigern – Die legendären King’s Singers auf Jubiläumstournee im Konzerthaus Berlin

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Von Julia Feurich.

The King’s Singers sind 50 geworden! Anlässlich ihres Goldenen Jubiläums und der damit verbundenen GOLD World Tour machten sie am 20. Juni 2018 auch in Berlin Halt und gaben im Rahmen der Haus-Konzerte im Kleinen Saal des Konzerthauses ein äußerst kurzweiliges und musikalisch hochkarätiges Konzert.

Als sich am 1. Mai 1968 – die Beatles befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Popularität – sechs Chorstipendiaten des altehrwürdigen King’s Colleges in Cambridge zusammenfanden, um fortan als Vokalensemble gemeinsam aufzutreten, war natürlich nicht vorauszusehen, welch eine Erfolgsgeschichte diese Gründung nach sich ziehen sollte. Auch wenn es im Laufe der Jahre immer wieder personelle Veränderungen gab und demnächst wieder geben wird – der zweite Countertenor Timothy Wayne-Wright und der zweite Bariton Christopher Gabittas haben sich dazu entschlossen, das Ensemble zum Ende des Jahres zu verlassen – wurde die Besetzung aus zwei Countertenören, einem Tenor, zwei Baritonen und einem Bass bis heute beibehalten. Und was noch wichtiger ist: Von der Ur-Besetzung bis zu den aktuellen King’s Singers, die allesamt weit nach 1968 das Licht der Welt erblickten, eint alle Sänger der Geist, mit bestmöglicher Leistung und hoher Virtuosität ihrem Publikum die Freude am gemeinsamen Singen zu vermitteln und immer wieder auch auf die Vielfalt der Musik in unserer heutigen Welt hinzuweisen, indem mehrere Jahrhunderte Chorliteratur gleichberechtigt neben zeitgenössischen Kompositionen und Klassikern in „Close Harmony“ zum Repertoire der sechs Sänger zählen. So gelten sie nicht ohne Grund weltweit als Botschafter für höchste musikalische Qualität.

Foto © Andy Staples

Auch in ihrem Berliner Konzert präsentierten die King’s Singers einen bunten Strauß an Musikstücken, der die unglaubliche Bandbreite ihres Repertoires und Könnens angemessen widerspiegelt und zugleich einen Querschnitt durch die 50jährige Geschichte des Ensembles bot. Patrick Dunachie und Timothy Wayne-Wright (Countertenor), Julian Gregory (Tenor), Christopher Bruerton und Christopher Gabbitas (Bariton) sowie Jonathan Howard (Bass) beindruckten das Berliner Publikum nicht nur durch ihren homogenen und stets fein aufeinander abgestimmten Klang, sondern sie unterhielten auch durch ihre launigen Moderationen in deutscher Sprache bestens. Der Kleine Saal im Konzerthaus besticht durch die intime Atmosphäre und den direkten Kontakt der Künstler mit dem Publikum bis in die letzten Reihen, was an jenem Konzertabend das Gefühl aufkommen ließ, einem der legendären und exklusiven Salons beiwohnen zu dürfen, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert in Berlin-Mitte gang und gäbe waren.

Zum Auftakt des Konzertes erklang das schlichte Gebet des Königs Heinrich VI., das 1944 von dem Engländer Henry Ley (1887 – 1962) vertont wurde. Jenes Gebet ist auch als „Founder’s Prayer“, also als „Gebet des Gründers“ bekannt, denn König Heinrich VI. hatte 1441 das namensstiftende King’s College in Cambridge gegründet. Ernsthaft und weihevoll begannen die sechs Sänger das Konzert im Dunkeln (lediglich ihre Gesichter wurden vom Licht ihrer iPads – die Notenmappe der heutigen Zeit – angeleuchtet), um schließlich bei hellem Bühnenlicht direkt zu Bob Chilcotts (geb. 1935) schwungvollen und das Publikum mitreißenden „We are“ überzuleiten, das eigens für das goldene Jubiläum in Auftrag gegeben wurde. Chilcott war von 1985 bis 1987 selbst Tenor der King’s Singers und hat mehr als 100 Stücke für das Ensemble komponiert und arrangiert. Die Botschaft des Textes der amerikanischen Dichterin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou, dass wir als große „Human Family“ einander ähnlicher sind als ungleich, ist ein Credo, das in unserer Zeit mehr denn je beherzigt werden sollte. Im Programmheft mit „Die Familie“ überschrieben, zeigten die King’s Singers somit gleich zu Beginn des Konzertes, was bzw. wer musikalisch ihre Biographie seit 50 Jahren prägt. Nach drei musikalischen Kostproben aus der spanischen und französischen Renaissance von Juan Vásquez (ca. 1500 – ca. 1560), Claude le Jeune (ca. 1530- 1600) sowie Mateo Flecha (1481 – 1553), widmeten sich die sechs Sänger dem Zauber der deutschen Romantik. Max Regers (1873 – 1916) „Morgengesang“ op. 138 Nr. 2 und Josef Rheinbergers (1839 – 1901) „Abendlied“ sind Klassiker der Chorliteratur. Selten habe ich diese zwei Werke so sauber und ausbalanciert, präzise artikuliert und gleichermaßen einfühlsam zu hören bekommen wie an jenem Abend. Auch die poetischen Liebeslieder „Quand tu dors près de moi“ von Georges Auric (1899 – 1983) und „Le papillon et la fleur“ op. 1 Nr. 1 von Gabriel Fauré (1845 – 1924) wurden mit ihrem unverwechselbaren Klang zartschmelzend und einfühlsam vorgetragen und waren ein besonderes Juwel dieses Konzertes. Very british mutete hingegen „The seasons of mercies“ des Komponisten Richard Rodney Scott (1936 – 2012) an, dessen metaphysischer Text des britischen Dichters John Donne um den Jahreslauf und die göttliche Erschaffung der Welt kreist. Die Stimmführung sowie deren Harmonisierung erinnerte mich an den Kompositionsstil eines der wohl berühmtesten Tondichter der Insel, der wir kein anderer für das „Englische in der Musik“ steht: Benjamin Britten. In jeglichem Sinne herausragend und geradezu eindringlich war das Tenorsolo, vorgetragen durch Julian Gregory.


Der erste Teil des Konzertabends klang mit einem ganz besonderen musikalischen Schmankerl aus, das eigenes für das Jubiläum von Joanna (geb. 1971) und Alexander L’Estrange (geb. 1974) – beide enge Vertraute der King’s Singers – komponiert wurde und pointiert der Frage nachging, was die King’s Singers seit den 50 Jahren ihres Bestehens nun eigentlich miteinander verbindet und auszeichnet. “Quintessentially“ bringt auf äußerst unterhaltsame Weise die Geschichte der King‘s Singers zum Klingen – ganz im Sinne der Philosophie, die von einem Sänger an den nächsten weitergegeben wird: „Wir nehmen unsere Musik sehr ernst – aber wir nehmen uns nicht zu sehr ernst.“ Dieses „Let us not take ourselves too seriously“ wird übrigens auch Queen Elizabeth II. zugeschrieben und scheint den Briten wohl im Blut zu liegen.

Im zweiten Teil des Konzertabends erklangen neben zwei weiteren Auftragskompositionen von Steve Martland (1954 – 2013) und Toby Hession (geb. 1997) vor allem „Arrangements in Close Harmony“, bei denen die Töne eng beieinander liegen und so auch die sechs Sänger weg von den Notenpulten Schulter an Schulter zusammenrückten, um noch einmal ein wahres Feuerwerk an musikalischen Hits in ihrem unverwechselbaren Klang abzuliefern. Neben vertrauten Stücken wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ von den Comedian Harmonists, „Blackbird“ von den Beatles und Auszügen aus dem Great American Songbook, folgten noch mehrere Zugaben, bis das Berliner Publikum die sechs Herren schweren Herzens unter frenetischem Applaus in den lauen Sommerabend entließ.

The King’s Singers sind noch mehrmals bis Ende des Jahres im Rahmen ihrer GOLD World Tour in Deutschland zu hören (alle Termine hier). Wem es nicht vergönnt ist, eines der heiß begehrten Tickets zu ergattern, dem lege ich wärmstens die anlässlich des Jubiläums erschienene CD-Box GOLD ans Herz, auf der neben vielen weiteren musikalischen Glanznummern aus dem Repertoire der King’s Singers die meisten der am 20. Juni dargebotenen Kompositionen zu hören sind und die einen mit auf eine aufregende musikalische Reise durch 50 Jahre King’s Singers nimmt.

Zum Jubiläumsalbum

 

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