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Heimat-Trouvaillen mit Tenor Daniel Behle

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Heimat. Welch’ einfach dahin geworfenes Wörtchen, welch’ Kosmos an erlebten Welten, erfühlter Erinnerungen. Der multibegabte lyrische Ausnahmetenor und Komponist Daniel Behle hat auf seiner inspirierenden CD „Heimat“ 500 Jahre Heimatlieder und -gedichte“ eine erstaunlich schöne Sammlung musikalischer sowie literarischer Fundstücken deutscher Erinnerungskultur zum Klingen gebracht.

Im Dezember 2022 kam das Publikum in den Genuss, den renommierten Sänger und die vier gut tönenden Bläser von German Hornsound live in drei Konzerten, (Stuttgart, Frankfurt am Main und Hamburg) zu erleben. Dort stellten sie ihre, jetzt für den Deutschen Schallplattenpreis nominierte CD-Produktion „Heimat“ vor. Die ergänzenden Prosa-Zwischentexte wurden von Mario Adorf rezitiert und im Livekonzert vom Band zugespielt. Geschmackvoll, aber doch ein wenig müde, voller sonorer Schwere liest der Grandseigneur des internationalen Films die klug und viel Kenntnis bergenden Gedichte.

Auf der prachtvoll aufgemachten Doppel-CD wurden diese sinnvoll zwischen die 29 Musiknummern platziert. Schon 2017 hegte Behle, der zudem ein sehr umtriebiger Komponist ist – seine Operette „Hopfen und Malz“ feiert Ende Januar 2023 in Annaberg-Buchholz Premiere – den Wunsch, ein etwas anderes Album zu kreieren. Und so werden sämtlich gesungenen Aufnahmen von vier Hörnern umrankt. Der üppige sowie bisweilen filigran anmutende Sound des Hornisten-Quartettes assoziiert auf natürliche Weise die Epoche, in welcher die deutsche Waldromantik en vogue war. Zeigen aber auch deutlich darüber hinaus. Beim Konzertabend im Mozartsaal der Alten Oper überzeugt Daniel Behle mit lyrisch intimen, innigen Momenten. Richard Wagners Gralserzählung aus dem „Lohengrin“ nur mit Hornklängen zu umspielen ist gewagt und geriet bei aller Subtilität des Gesangs nicht so schlüssig wie es der eingefleischte Wagner Freund in einem Livekonzert gern gehört hätte. (Arrangement, Stephan Schottstädt).

Mit Witz und Selbstironie gestaltete Behle seine eigene Komposition „Heimat ist dort, wo der Schlüssel hängt“. Burschikos, rotzfrech und pipifein soundet es da: „ Die ganze Welt ist aus dem Lot. Geh ich raus, dann bin ich tot. Doch die Heimat ohne Reise, macht dich auch nicht weise“. Ganz klar wurde dieses tiefsinnige, Schalk beheimatete Liedchen von Daniel Behle in der für alle Künstler schwierigen Coronazeit komponiert und getextet.

Das in der Originalfassung deutsche Jägerlied „Ein Jäger aus Kurpfalz“ gehört ebenfalls zu den Liedern auf der CD wie die wohlbekannten Kunstlieder: Goethe-Vertonungen von Franz Schubert, wie „Wanderers Nachtlied“. Bert Brechts Gedicht „Die Flucht“, das die schwierige Zeit in der USA benennt, wurde von Hanns Eisler vertont. Das lange Klagen des Exilanten, der erst in Finnland gestrandet war, dann in Hollywood ohne Heimat künstlerisch verkümmerte, wird durch Hanns Eislers scharfen, an einen Aufschrei erinnernden Tonfall deutlich. „Ein neuer Frühling“ der Comedian Harmonists, das wie eine flotte, ja schmissige Filmmelodie tönt, war ebenso im Konzertprogramm zu finden wie das eindringlich schauerliche , Hoffnung atmende „Buchenwaldlied“ des Textdichters und Kabarettisten Hermann Leopoldi-Beda und Dr. Fritz Löhner. Sie schrieben es als KZ-Häftlinge in Buchenwald „… „denn einmal kommt der Tag: da sind wir frei“, heißt es. Chansonnier Georg Kreisler und sein Wiener-Walzer trunkenes Paradestück „Wien ohne Wiener“ muss natürlich auch in den Kanon deutschsprachiger Heimatlieder. Behle singt und palavert mit einem gehörigen Schuss schwarzem Humor und dem bissigen „Wiener Granteln“: „Wie schön wär Wien ohne Wiener / ein Gewinn für den Fremdenverkehr. / Die Autos ständen stumm / das Riesenrad fiele um / und die lauschigen Gässchen wär’n leer!“ Das hätten viel gerne mitgesungen an diesem sehr unterhaltsamen Abend.

Wer in das das opulente, mit Akribie recherchierte, 72-seitige Booklet hineinschaut, begibt sich textlich und bildlich auf eine mehr als nur schöne „Heimat-Reise. Im Frankfurter Konzert wurden wir geschickt in 36 Stationen durch 500 Jahre klingende „Heimatgeschichte“ gelotst. Hier muss unbedingt Arrangeur und Programmgestalter Alexander Krampe erwähnt werden. Mit „Es führt über den Main / Eine Brücke von Stein“ vertont von der Hindemith-Schülerin Felicitas Kuckuck, bekundet Behle seine ganz persönliche Reverenz an Frankfurt am Main.

Mit der Zugabe des Udo Jürgens Songs „Griechischer Wein“ rief er eine der Sehnsuchtsheimaten der Deutschen wach.

Die lebendig, frisch und auf hohem Niveau beschaulichen, in neue hornsoundige Farben getauchten Arrangements von Alexander Krampe hätten viele im Konzert gerne noch einmal gehört. Aber dafür gibt es ja die zwei strahlenden „Heimat“-Silberlinge zum immer wieder Hineinlauschen in die Kunst- und Volksliedgut verschriebenen Aufnahmen. Diese beiden, sorgfältig und mit großer Liebe und Hingabe produzierten CDs spiegeln die kreative Coronazeit Kultur und Kunst aller nie aufgebenden Kulturschaffenden wider. Deswegen: unbedingt kaufen!

„Hopfen und Malz“, Operette in zwei Akten von Daniel Behle.
Opernchor des Eduard-von-Winterstein-Theater und László Varga (Mitte, als Horst Flens) /
Fotos:  Dirk Rückschloß / Pixore Photography

Wer den lyrischen Tenor Daniel Behle musikalisch kennenlernen möchte, kann dies in diesem Monat noch auf vielfältige Weise.

1. Engelbert Humperdinks Oper „Die Königskinder“ hatte im Herbst 2022 in Amsterdam Premiere. Diese gefeierte Produktion ist in der Reihe „Opera on 3“ bei der BBC unter den unten aufgeführten links noch nach zuhören.

Opera on 3

2. Felix Mendelssohn „Elias“ mit Daniel Behle feierte in einer exquisiten Aufführung am 12.1.2023 in der Berliner Philharmonie Premiere. Die Aufnahme ist noch bis zu 12.2. online.

Digital Concert Hall

3. Die Operette „Hopfen und Malz“ in zwei Akten von Daniel Behle. Libretto von Daniel Behle und Alain Claude Sulzer feierte am 21.1.2023 Premiere in Annaberg-Buchholz als Koproduktion mit dem Brandenburger Theater.

Erzgebirgische Theater- und Orchester GmbH

Heimat – 500 Jahre Heimatlieder und -gedichte
Daniel Behle | Tenor
German Hornsound
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