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Harmonie und Zerstörung: „Call to Arms“ von Visionist

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikDer Brite Visionist führt auf „Call To Arms“ spielerisch unterschiedliche Musikstile zusammen.
Rezension von Ronald Klein.

Nach „Safe“ (2015) und „Value“ (2017) hat Louis Carnell alias Visionist bei Mute eine neue musikalische Heimat gefunden. Der 31-Jährige entstammt der Londoner Grime-Szene und machte sich vor zehn Jahren als Experimentalmusiker einen Namen. So scheitert bei seiner dritten Platte erneut der Versuch, die Musik schnell zu etikettieren. Nach dem ersten Durchhören stellt man verblüfft fest, wie scheinbar sperriger Krach plötzlich durch warme Vokal-Parts abgelöst wird, ohne dass sich ein klarer Bruch offenbart. „Call To Arms“ klingt trotz des martialischen Titels überraschend friedlich und wenig beatlastig, vor allem aber überraschend.

Der Opener beginnt mit einer langen Sequenz Rauschens, bevor die warme Stimme von Childhoods-Frontmann Ben Romans-Hopcraft erklingt. Auf ,Form‘ singt schließlich Carnell selbst. Sehr lange scheute sich der Engländer davor, weil er damit so „verletzlich“ klinge, wie er vor einiger Zeit dem Guardian beichtete. Fast zärtlich interagiert er mit dem Mikrofon vor dem Hintergrund dunkler Soundscapes und einem Industrial-Beat, der sich im Laufe des Songs immer weiter zu entfernen scheint. Der Rhythmus wird aber anschließend mit ,Allowed To Dream‘ wieder aufgegriffen, um sich nach der Hälfte des Tracks komplett aufzulösen. Die mäandernden dunklen Sounds treten bei ,Nearly God‘ in den Dialog mit Kirchenglocken, um danach der beeindruckenden Alt-Stimme der US-Amerikanerin Haley Fohr alias Circuit Des Yeux Raum zu geben.

Die Sängerin erreicht tiefe Register, wie es bei Frauen nur selten der Fall ist. ,The Fold‘ trägt dem Rechnung, die Arrangements wurden extrem reduziert. Visionist hat sich für eine Piano-Begleitung entschieden, die der Platte eine vollkommen neue Klangfarbe verleiht. Die außergewöhnlichen musikalischen Facetten des Albums spiegeln sich in den Lyrics wider, die großen Interpretationsspielraum eröffnen. Visionist erläutert, dass er für Menschen schreibt, „die gerne nachdenken“.

In Kombination mit der herausragenden Klangarchitektur ist an dieser Platte alles herausragend.
Ein Meilenstein.

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