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GOYESCAS wie Sangria mit Hibiscus: Voller Leidenschaft und spanischem Duft

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikRezension von Ingobert Waltenberger.

Die ,Majos‘ müssen ganz schön verliebt ineinander gewesen sein, so wie die ganz hervorragende armenische Pianistin Sofya Melikyan das nun in einem Album mit spanischer Klaviermusik in die Tasten zaubert. Zehn Jahre Leben, Kultur und Musik hat Sofya Melikyan in Spanien genossen und die CD in Erinnerung daran als persönliche Hommage an das Land konzipiert.

In der sechsteiligen Suite „Goyescas“ von Enrique Granados soll das Spanien zur Zeit Francisco de Goyas musikalisch auferstehen. Aufgrund des Erfolgs des Stücks fertigte Granados basierend auf fünf Szenen eine Oper an, die 1916 an der Metropolitan Opera in New York uraufgeführt wurde. Bei der Rückreise des Komponisten torpedierte die deutsche Marine die französische Kanalfähre Sussex im Ärmelkanal beim Übersetzen von Folkstone nach Dieppe. Granados starb, weil er – schon in Sicherheit – versuchte, seine Frau zu retten. Was für eine Biographie.

Sofya Melikyan ist eine außerordentliche, für mich sogar vielleicht die beste aller bisherigen Aufnahmen der Goyescas gelungen. Verirren sich teils sehr berühmte (spanische) VorgängerInnen in einem Urwald an Rubato, in artifiziell folkloristischer Analyse, so versteht es Sofya Melykian, die sechs technisch extrem anspruchsvollen Studien in einem natürlichen Fluss zu musizieren. Sie phrasiert mit lyrisch weitem Atem, weiß um die spontane Lebensfreude, Intimität, romantische Sehnsucht und melancholischen Einschübe der programmatischen Studien; aber auch um die pianistischen Wurzeln bei Liszt und Chopin trotz der durch spanische Lieder und Tänze erzielten unverwechselbaren Atmosphäre. Die verträumt bis kraftvoll grundierten Piècen verlangen nach einer höchst differenzierten, meisterlichen Anschlagskultur, die Sofya Melikyan perfekt und befreit von aller Erdenschwere beherrscht. Am Ende ist es die traumwandlerische Wahrhaftigkeit des Vortrags, die die CD zum singulären Ereignis macht.

Als zweites Stück sind die Variationen über ein Thema (Prélude in A-Dur) von Chopin des Katalanen Frederic Mompou zu hören. Im Gegensatz zu den ausladenden musikalischen Fresken der Goyescas handelt es sich hier um eine Sammlung charaktervoller Miniaturen, 13 an der Zahl. Der schüchterne Tonsetzer, der im biblischen Alter von 94 Jahren in Barcelona starb, schrieb herrlich poetische Klaviermusik im impressionistischen Fahrwasser. Sofya Melikyan findet für seine Musik ganz eigene  Klangfarben, eine eigene Artikulation. Sie vertieft sich wie wesensverwandt in die harmonisch raffiniert gedrechselten Wendungen und erfindungsreichen Variationen, die auch den Geist Schumanns zu beschwören scheinen.

Fazit: Eine CD, die  nicht oft genug gehört werden kann. Zwei viel zu wenig gespielte Komponisten und eine geniale Pianistin sind hier gleichzeitig zu entdecken.

Sofya Melikyan
Spanish Piano Music
Granados und Mompou
Etcetera (Harmonia Mundi), 2018
CD kaufen oder nur hineinhören

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