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Gespenstisch schön: Musik für Harfe solo oder Harfe und Streichquartett, von Emmanuel Ceysson

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Rezension von Ingobert Waltenberger.

Musik und sie inspirierende Schauergeschichten, das richtige Album für laue Sommernächte oder eher prickelnde Sommermorgen nach durchfeierter Nacht? Das Motto des Albums „Aus Dunkelheit zum Licht“ wird ja nicht unbedingt mit perlendem Harfenklang assoziiert. Aber ein wenig gespenstisch darf die musikalische Reise von Henriette Renié, André Caplet über Gustavo Leone bis hin zu Paul Hindemith, Carlos Salzédo und Claude Debussy schon sein. Wir geben uns also dem Gruseln der schönen Töne hin, vor allem wenn all der Reichtum des Instruments so dunkel wehend, kräftig und kristallin klar zum Ausdruck kommt, wie uns das der französische Harfenist Emmanuel Ceysson  auf seiner roten „Salzedo Harfe“ vorführt

Der erste Soloharfenist der Metropolitan Opera – zuvor war Ceysson ein Jahrzehnt Harfenist des Orchesters der Opéra National de Paris – fällt immer wieder positiv durch ausgefallene Programme und CD-Produktionen auf. Als Partnerformation musiziert Ceysson diesmal mit dem Quatuor Voce (Sarah Dayan, Cécile Roubin Violine, Guillaume Becker Bratsche, Lydia Shelley Cello). Eine gute Wahl.

Das Album startet mit der Ballade fantastique für Harfe solo der französischen Komponistin Henriette Renié, die als Programm des 1912 geschriebenen Stücks auf die Kurzgeschichte Edgar Allan Poes „The Tell-Take Heart“ zurückgreift. Da wird der Wahnsinn eines Mörders, der vom Herzschlag seines unter dem Boden des Schlafzimmers „verstauten“ blutigen Opfers verfolgt wird, in eine akustisch seltsam bedrückende Atmosphäre gegossen. André Caplets „Conte fantastique“ basiert ebenso auf einer Erzählung Poes, nämlich „The Mask of the red Death“. Die literarische Danse macabre kulminiert im Erscheinen des Roten Todes um Mitternacht  bei einem ausschweifenden Maskenball des Prinzen Prospero. Bei diesem Stück mit Streichquartett sind der Harfe hintereinander die dramatischen Rollen des Prinzen, der Uhr, der Maske und des Roten Todes anvertraut. Der argentinische Tonsetzer Gustavo Leone schrieb von der Exzentrik Caplets fasziniert sein großartiges „Red Quintett“ für Streichquartett und Harfe.

Paul Hindemith wählte als Quelle der Inspiration für den dritten Satz seiner „Sonate für Harfe“ ein Gedicht von Ludwig Hölty. Da imaginiert ein Musiker nach seinem Tod den im Sonnenuntergang vagabundierend verwaisten Klang seiner Harfe. Das Album endet mit Carlos Salzédos impressionistisch schillernder „Ballade Nr. „1 sowie der Sarabande „Danse sacré“,  gefolgt vom Walzer „Danse profane“ von Claude Debussy.

Also nichts wie rein in die üppigen rotsamtenen Pölster der aus schwarzem Holz geschnitzten Gondel und ab geht die Reise.

Emmanuel Ceysson; Quatour Voce
Ballad in red:
Musik für Harfe solo oder Harfe und Streichquartett,
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