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Gefährliche Erholung: Peter Heller „Die Lodge“

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Literatur

Von Barbara Hoppe.

Selten erlebt man, dass die Übersetzung eines Buchtitels treffender ist als das Original. Heißt der Kriminalroman des US-amerikanischen Journalisten und Romanautors Peter Heller eigentlich „The Guide“, so bringt der deutsche Titel „Die Lodge“ das Zentrum des Geschehens weit besser auf den Punkt. Hier nämlich heuert der Cowboy Jack als Fremdenführer an, um in dem Nobelresort erholungsbedürftigen Reichen und Berühmten in rauer Natur beim Angeln zur Seite zu stehen. Auf dem weitläufigen Gelände „in einer waldigen Schlucht“, mit „Fichten, Kiefern, mit hohen Felsen und ins Wasser stürzendem Geröll“, bietet der sanfte Fluss die idealen Voraussetzungen fürs Forellenfischen. Eine Erholung, die sowohl Jacks Geldbeutel als auch seine Seele nach schweren Verlusten dringend benötigen.

Doch obwohl er mit Alison K eine so berühmte wie bodenständige Sängerin zugeteilt bekommt, fühlt sich der Cowboy in der eigenartigen, etwas bedrückenden Stimmung der Lodge nicht wohl. Versteckte Kameras durchziehen das Gelände, Schilder warnen vor schießwütigen Nachbarn und die Umzäunung scheint eher das Verlassen der Hotelanlage zu behindern als das Eindringen ungebetener Gäste. Der Hotelmanager ist ebenso wenig vertrauensvoll wie der zweite Gästebetreuer Cody oder die burschikose Köchin Shay. Jacks Ausflug mit Alison ins nahe gelegene Örtchen Crested Butte mit seinen holzverkleideten Bergarbeiter-Häuschen in flieder oder türkis, diese Fahrt durch „ein Meer aus Salbei und Gras mit dunklen Baum- und Espeninseln“ hinein ins Gunnisontal im Herzen Colorados, wird von den Lodge-Betreibern ebenso registriert wie Jacks Gewehr, das er sich sicherheitshalber neben das Bett gestellt hat.

Cover: Nagel & Kimche

Als eines Nachts ein durchdringender Schrei die Stille zerreißt, spüren Jack und Alison, dass in dieser Idylle etwas nicht stimmt. Was passierte mit Jacks Vorgänger Ken, der von heute auf morgen verschwand? Was steckt hinter den vermeintlichen Wellness-Anwendungen der anderen Gäste? Und wo fährt Shay allmorgendlich mit Tonnen von Frühstück hin? Jacks und Alisons Nachforschungen werfen Rätsel um Rätsel auf und bringen beide mit jeder Entdeckung in größere Gefahr. Hinzu kommt eine zunehmende Isolation der kleinen Gesellschaft durch ein Virus, das sich zunehmend auch in der einsam gelegenen Gemeinde ausbreitet. Doch Peter Heller hat seinen Protagonisten mit guten Cowboy-Instinkten ausgestattet, der zudem sehr schusssicher ist. So gelingt es dem Autor, das Lesepublikum nicht nur in großartigen, fast elegischen Beschreibungen von Natur und Anglerlebnissen schwelgen zu lassen. Auch seinen kernigen Jack schickt er gewieft durch die Untiefen der Lodge mitten hinein in einen stilechten Cowboy-Showdown.

Peter Heller
Die Lodge
Nagel & Kimche, München 2022
bei amazon
bei Thalia

Der Artikel erschien ebenfalls als Literarisches Reiserätsel in Das WOCHENENDE! (Frankfurter Neue Presse, Frankfurter Runschau und FAZ Rhein Main Zeitung).

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