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„Fantin-Latour – A fleur de peau“ im Musée du Luxembourg in Paris

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"Fantin-Latour – A fleur de peau" im Musée du Luxembourg in ParisDas Museum ist immer einen Besuch wert, findet Stephan Reimertz

Das Musée du Luxembourg stellt einen reizvollen Gegensatz zu den großen Pariser Kunstzentren dar. Das intime Palais liegt im Jardin du Luxembourg und eignet sich für kleine bis mittelgroße Kabinettausstellungen. So waren in den vergangenen Jahrzehnten überschaubare Retrospektiven von Modigliani, Botticelli oder dem Selbstporträt im 20. Jahrhundert ebenso große Publikumserfolge wie in den letzten Jahren die Ausstellungen von Cézanne, Cranach oder über die Tudors. Der Nachteil des großen Erfolges dieser kleinen Bühne der Kunst sind die langen Schlangen vor und das Gedränge in den verstellbaren und für jede Ausstellung neu definierten Räumen. Die herausragende Qualität und Präsentation der Ausstellungen lohnt einen Besuch trotzdem. Verdienstvollerweise haben die Kuratoren sich jetzt des französischen Malers Henri Fantin-Latour angenommen, dessen Stellung in der Kunstgeschichte vom Glanz seiner Zeitgenossen verdunkelt zu werden droht. Die Ausstellung Fantin-Latour – A fleur de peau ist wieder ein großer Erfolg beim Publikum, wobei man den Untertitel mit »äußerst reizbar, überempfindlich« übersetzen kann. Wenn es ein Adjektiv gibt, das Charakter und Haltung dieses außerordentlich interessanten Künstlers beschreibt, der in der Kunstgeschichte einen ambivalenten Rang einnimmt, so ist es: verhalten.

Die große Zeit des Henri Fantin-Latour liegt in den 1850er und 1860er Jahren. Der 1836 in Grenoble geborene Maler und Graphiker war seiner Familie äußerst verbunden, und so stellt das intime Familienporträt, aber auch die zahlreichen lesenden Frauen, die er mit Vorliebe malte, einen ersten Höhepunkt in seinem Schaffen dar. Von Anfang an beherrschte er auch den Bleistift, ja er vermochte ihm malerische Qualitäten abzugewinnen. So wundert es nicht, dass Fantin-Latour einer der großen graphischen Meister der Epoche wurde. Insbesondere Standardwerke zur Musikgeschichte sollte er mit ebenso präzisen wie stimmungsvollen Blättern zu großem Glanz verhelfen. Als Meisterwerk in diesem Genre gelten die vierzig Lithographien, die er zu der Monographie Richard Wagner – sa vie et ses œuvres von Adolphe Jullien beisteuerte, und die ein typisches Beispiel des französischen Wagnerianismus darstellen. Demselben huldigte Fantin-Latour auch in seiner obsessiven Darstellung von Wagner-Szenen, so dem Finale der Walküre; nicht zu seinem Vorteil.  Zugleich führte er allegorische Musiker-Huldigungen in großformatigen Gemälden aus. Neben dem Familienporträt pflegte er das Selbstporträt in auffallend kleinem Format und malte Stilleben und Blumenstücke in großer Zahl, letztere fanden besonders in England begeisterte Abnehmer.

Der Gegen-Impressionist

Den Farbexplosionen seiner Zeitgenossen Renoir, Manet, Monet und van Gogh setzte er ein verhaltenes Licht des Innenraums entgegen, das besonders in seinen zahlreichen bürgerlichen Porträts zur Geltung kommt. Während andere dem Impressionismus huldigten, erlegte Fantin-Latour sich einen strengen, klassizistischen Stil auf und schwelgte Ende des Jahrhunderts in mythischen und allegorischen Szenen, die im krassen Gegensatz zu den Pariser Alltagsszenen und den ländlichen Impressionen der Künstlerkollegen stehen. So schuf Henri Fantin-Latour seinen eigenen lichtdurchfluteten Gegen-Impressionismus. Eine Entdeckung stellt seine bisher weitgehend unveröffentlichte Photo-Sammlung dar, die jetzt im Museum seiner Heimatstadt Grenoble auftauchte. Der Künstler sammelte ausschließlich Photos von nackten jungen Frauen und Mädchen, was keinen, der das französische Fernsehprogramm oder die Literatur dieses Landes kennt, überraschen wird. Die Studienposen, klassizistisch verbrämte Sexualität, zeichnete er meist in Bleistift nach, um sie später als Gemäldevorlage zu verwenden.

Es ist das Schicksal des Henri Fantin-Latour, dass seine Werke häufiger in Literaturgeschichten als in Kunstgeschichten abgebildet werden. Seine glanzvollen und großformatigen Gruppenporträts überliefern uns neben Malerkollegen wie Manet, Monet und Renoir auch zeitgenössische Schriftsteller. Zola, Baudelaire, Verlaine und Rimbaud werden immer wieder nach diesen Tableaus reproduziert, die vor allem diesem Künstler heute noch große Bekanntheit sichern. Es ist ein Verdienst der Retrospektive im Musée du Luxembourg, den großen Gegen-Impressionisten von allen Seiten gezeigt zu haben. Die ausgestellten Werke stammen meist aus dem Musée d’Orsay in Paris, aber auch aus anderen Museen in Frankreich, vor allem dem Museum in Grenoble. Zwischen den großen Werken der Impressionisten hat sich Fantin-Latour vor allem mit seinen Gruppenporträts einen Platz gesichert. Er ist der große Gegen-Impressionist und soziale Chronist des Zweiten Kaiserreichs und der frühen Jahre der Dritten Republik.

Zur Ausstellung, die nur noch bis zum 12. Februar 2017 zu sehen ist, ist ein reich bebildeter und kommentierter Katalog erschienen.

Musée du Luxembourg
19 Rue de Vaugirard
75006 Paris

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag und Samstag/Sonntag: 10.30 – 19 Uhr
Freitag: 10.30 bis 22 Uhr

 

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