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Es flüstert, rauscht, schnalzt und haucht: „Alfabet“ von Frank Schwemmer fesselt als poetischer Klangteppich

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Das Vocalconsort Berlin ist bekannt dafür, gern klassische Genregrenzen zu sprengen. Die Uraufführung „Alfabet“ von Frank Schwemmer nach Texten aus dem Langgedicht „Alfabet“ der dänischen Lyrikerin Inger Christensen macht das Ensemble zu einem ausdruckstarken Musikstück, in dem die Luft bisweilen vibriert und einem schwindelig wird. Von Barbara Hoppe.

Hoffentlich wurde das Konzert aufgezeichnet. Am vergangenen Freitag erklang „Alfabet“ von Frank Schwemmer das erste Mal und alle weiteren Chöre, die sich daran versuchen, werden sich an dem Vocalconsort Berlin messen lassen müssen. Denn was das Ensemble an diesem Abend bot, war einzigartig packend. Die Chorfantasien, wie sie der Komponist selbst nennt, sind ein Auftragswerk und Fantasien sind es wirklich. Von der ersten Minute an entfaltet sich eine elegische Stimmung. Lautmalerisch gleiten wir in die Naturfrische, hören Blätterrauschen und Wasserplätschern, Wind und Tierstimmen. Hochkonzentriert singen, sprechen, flüstern, wispern schnalzen und hauchen die Sängerinnen und Sänger nicht nur dialogisch, sondern, ja, polilogisch, wenn es ein solches Wort gäbe. Immer wieder griffen die Akteure zu Stimmgabeln, um ihren Ton (wieder) zu finden. Unbeschreiblich, welche Dissonanzen sie glasklar hervorbrachten. Wenngleich das gesamte Ensemble sängerisch herausragend war, gebührt den Sopranistinnen ein besonderes Lob. Kaum zu glauben, welch Töne, vielfach dissonant, abgehackt und vogelartig die menschliche Stimme fähig ist zu produzieren.

 
Foto @ Kristof Fischer
 

Chorleiter Rolf Sochaczewsky dirigierte souverän, behielt den Überblick und schaffte es mühelos, die Konzentration bei Sängern wie Publikum zu halten. Die erfahrene und vielseitige Maria Schneider an der Percussion war mehr als nur Untermalung. Vibra- und Xylophon, Marimba, Woodblocks, Bongos, Heu und Wasser, Glocken und Triangel verstärkten den Gesang und verschmolzen mit den Stimmen, lösten sie bisweilen ab.

Fast unnötig zu erwähnen, dass eine solche Musik auch poetische Texte braucht. Inger Christensen, die 2009 starb, war nicht umsonst immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch. „Die menschliche Ordnung“, wie das vierte Konzert der Reihe Chor@Berlin 2019 im Radialsystem hieß, haben sie und das Vocalconsort Berlin mühelos überwunden und auf eine neue Ebene gehoben.

 

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