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Ein Moment mit … Damian Marhulets. Komponist und Grenzgänger zwischen Klassik und Elektronik

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Ein Moment mit ... Damian Marhulets. Komponist und Grenzgänger zwischen Klassik und ElektronikEr ist Komponist, Produzent und Sound-Designer. Mit seiner Musik mäandert er in audiovisuellen Projekte zwischen Klassik und Elektronik: Damian Marhulets. Derzeit ist der Künstler mit eigenen Kompositionen gemeinsam mit der Komponistin und Pianistin Marina Baranova auch in Deutschland zu hören.

Dabei begann der gebürtige Weißrusse, der seit 2000 in Deutschland lebt, mit der Oboe. Bereits im Alter von sechs Jahren nahm ihn das Minsk College of Music auf. Tourneen im In- und Ausland folgten, er gewann zahlreiche Wettbewerbe.

Im Gespräch mit dem Feuilletonscout spricht Damian Marhulets über zeitgenössische Musik und wo er selbst Grenzen zieht.

Feuilletonscout: Wie würden Sie selbst beschreiben, was Sie tun?
Damian Marhulets: Ich bin auf der Suche nach einer ganzheitlichen Form des künstlerischen Schaffens – wo Komposition, Aufführung, Organisation, Management, Produktion u.a. gleichberechtigt behandelt werden und einem gemeinsamen Ziel dienen.

Feuilletonscout: Was fasziniert Sie daran, zwischen verschiedenen künstlerischen Welten zu wandeln? Sie musizieren und komponieren ja nicht nur. Für Ihre Komposition „Stellar“ entsteht gerade ein Animationsfilm.
Damian Marhulets: Seit mehreren Jahren fasziniert mich ein transmedialer Denkansatz – bei dem ein bestimmter Inhalt über mehrere Medien hinweg verstreut wird. So können Teile eines Ganzen auf unterschiedlichen Plattformen entsprechend unterschiedlich erlebt werden.
Mein Projekt mit dem Titel „STELLAR – Wandering Stars Suite“, ist für mich zum Beispiel weniger ein geschlossenes Musikstück, sondern viel mehr eine offene Welt – mit eigener Ästhetik und eigenem narrativen Netz – die man auf unterschiedliche Arten erleben kann: zuerst war das Musikstück da – also ein rein akustisches Erlebnis, etwas später habe ich 11 internationale Animations- und Video-Künstler beauftragt, zu einzelnen Sätzen der Suite kurze Animationsfilme herzustellen – dabei konnten Künstler die Musik auf ihre eigene Weise künstlerisch interpretieren und so das STELLAR-Universum mit neuen Inhalten bereichern. Darüber hinaus arbeite ich mit einer Kuratorin an einer besonderen Kunstausstellung zusammen, die diese STELLAR -Welt begehbar machen und somit eine neue Form der interaktiven Kommunikation anbieten soll

Feuilletonscout: Gibt es musikalische Grenzen für Sie? Etwas, das Sie nie tun würden?
Damian Marhulets: Ich glaube, es gibt sie, viele sogar. Und gerade diese Grenzen inspirieren mich: sie zu überschreiten, sich mit Ihnen auseinanderzusetzten, mich selbst dadurch zu provozieren – so vermeidet man die Falle des sich-selbst-Wiederholens, bringt gewisse Spannung und – im besten Fall – künstlerische Gefahr / Risiko ins Spiel. Und genau das liebe ich in meiner Arbeit – sich selbst stets neu zu definieren.

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Feuilletonscout: Im letzten Jahr gründeten Sie eine eigene Agentur, Marhulets Agency. Warum?
Damian Marhulets: Es handelt sich dabei nicht um eine Vermittlungsagentur, sondern vielmehr um eine Produktionsplattform. Der Fokus liegt auf Planung, Entwicklung sowie Durchführung von unterschiedlichen künstlerischen Projekten – aktuell mit Schwerpunkt Musik, aber bereits jetzt arbeiten wir parallel an der Organisation mehrerer Konzertreihen, einer Filmproduktion, einer Kunstausstellung – und es gibt darüber hinaus noch viele weitere spannende Pläne, die hoffentlich in den nächsten Jahren eine konkrete Form annehmen werden.

Die Agentur selbst ist entstanden aus dem Bedürfnis heraus, unterschiedlichen Ideen, Konzepten und Projekten – sowohl meine eigenen, als auch die von anderen, gleichgesinnten Künstlern – eine starke organisatorische Struktur zu verschaffen. Entscheidend für mich ist die Möglichkeit, Projekte, an die ich glaube, realisieren zu können, ohne auf Entscheidungen von anderen Leuten (Produzenten, Konzertveranstaltern, Booking Agenten usw.) angewiesen sein zu müssen. Ich kooperiere selbstverständlich gerne mit anderen Leuten – das ist zweifellos ein sehr wichtiger und auch kreativer Aspekt der Arbeit. Ich glaube dennoch, dass es trotzdem sehr wichtig ist – auch für die organisatorische Seite eines bestimmten Projekts, selber Verantwortung zu tragen.

Ich glaube nämlich daran, dass alle „außer-künstlerischen“ Elemente, die von vielen Künstlern als eine Last empfunden werden – eine Last die man gerne an andere Leute abgibt – für mich doch untrennbare und gleichberechtigte Teile eines Kunstprojektes sind. Denn wie kann man zum Beispiel ein eigenes Musikstück von den aufführenden Musikern, dem Aufführungsort oder dem Publikum trennen – diese Teile gehören für mich zu einem ganzheitlichen Gesamtwerk. So habe ich für mich Organisation und Management zum Teil meiner künstlerischen Arbeit gemacht, und obwohl es erst der Anfang ist, liegt in dieser Herangehensweise, wie ich glaube, viel kreatives Potential

Feuilletonscout: Derzeit sind Sie mit Ihrer Künstlerkollegin Marina Baranova in Deutschland auf Konzertreise. Wie aufgeschlossen empfinden Sie das deutsche Publikum gegenüber zeitgenössischen Kompositionen und modernen Interpretationen klassischer Musik?
Damian Marhulets: Ohne pauschalisieren zu wollen: mit Sicherheit gibt es in Deutschland eine der besten Szenen für moderne Musik weltweit – zeitgenössische Musik findet hier immer den dankbaren und interessierten Zuhörer. Wonach ich aber suche und was mich interessiert, ist nicht ein „gesichtsloses“ – auch wenn aufgeschlossenes – Publikum, sondern einzelne Menschen, die zum Konzert kommen – jeder einzelne, mit eigenen Erfahrungen, Vorlieben und Erwartungen. Jeden Menschen im Saal persönlich mit unserer Musik zu erreichen, mit ihm eine Verbindung herzustellen und einen einzigartigen kommunikativen Prozess zu starten – das ist das, was mich inspiriert. Und ich glaube solche kommunikativen Kanäle entstehen nicht aufgrund von stilistischen Schubladen – ich versuche also wo möglich zu vermeiden, in Begriffen der zeitgenössischen, klassischen oder postmodernen Musik zu operieren und gehe stattdessen von Besonderheiten eines spezifischen Projekts aus. Um bei dem aktuellen Beispiel zu bleiben – in dem Projekt #HYPERSUITES geht es primär nicht um moderne Interpretation der Alten Musik, sondern vielmehr um einzigartige Musiker, die diese Musik in einer einmaligen Konstellation machen – Marina Baranova, David Krakauer, Murat Coskun u.a.

Feuilletonscout: Sie selbst sind ausgebildeter Oboist. Spielen Sie noch? Und wenn ja, was lieben Sie besonders?
Damian Marhulets: Nach dem ich vor über zehn Jahren mein Oboenstudium – ein Semester vor dem Abschluss – abgebrochen habe, um mich der Komposition und eigenen Projekten zu widmen, habe ich immer wieder in dem einen oder anderen Kontext Oboe gespielt. Im Jahr 2011 habe ich eine Solo-CD mit eigenen Kompositionen für Oboe und Elektronik unter dem Titel „Transit.Nihil“ herausgebracht und ein paar kleine intime Konzerte – fast für den Freundeskreis – gespielt. Im bestimmten Sinne wurde damit für mich ein Lebensabschnitt abgeschlossen – unter anderem auch meine langjährige Beziehung mit diesem Instrument.

Wenn ich aber in einem parallelen Universum immer noch Oboe spielen würde, dann wäre das wahrscheinlich Musik der Barock Zeit – sowohl Händel, Telemann, Bach, als auch viele andere wunderbare, aber zu Unrecht vergessene Komponisten aus dieser Zeit

Damian2_kleinFeuilletonscout: Haben Sie einen musikalischen Traum?
Damian Marhulets: Wenn man in diesem Fall Träume als zukünftige Projekte, die sich erst in einer Planungsphase, befinden, definiert, dann findet sich darunter zum Beispiel eine Oper, basierend auf Neil Gaiman’s Grafik-Novelle „Sandman“, ein großes multimediales Werk mit Orchester und Elektronik, das auf die Geschichte der niederländischen Stiftung „MarsOne“ eingeht (die in zehn Jahren Menschen auf dem Mars landen lassen und dort eine dauerhaft bewohnbare Siedlung aufbauen will), Filmmusik für einen Horrorfilm und viele andere. Immer wieder werden musikalische Träume aus dem Wunsch nach Kooperation mit einem bestimmten Musiker geboren, denn es sind oft konkrete Menschen – und nicht Besetzungen, Instrumente oder Klangfarben – die mich inspirieren und zu einer neuen musikalischen Idee bringen.

Feuilletonscout: Was sollen die Menschen von Ihnen bzw. Ihrer Kunst in Erinnerung behalten?
Damian Marhulets: Aufgeschlossenheit gegenüber dem Nächsten statt nur dem Neuen. Aufmerksamkeit für benachbarte Sichtweisen. Freiheit von eingefrorenen Identitäten.

Vielen Dank, Damian Marhulets!

Konzerte in Deutschland:

Montag, 9. November 2015, Aula der Universität Göttingen,
Wilhelmsplatz 2, 37073 Göttingen

Dienstag, 10. November 2015, Bremen, 20 Uhr, Glocke
„Hypersuites“ mit David Krakauer (Klarinette), Damian Marhulets (Elektronik), Dima Tsypkin (Cello) Alon Sariel (Laute, Mandoline)

Mittwoch, 25. November 2015, Essen, Philharmonie
„Hypersuites“ mit Damian Marhulets (Elektronik), Dima Tsypkin (Cello) Alon Sariel (Laute, Mandoline)

 

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2 Gedanken zu „Ein Moment mit … Damian Marhulets. Komponist und Grenzgänger zwischen Klassik und Elektronik“

  1. Pingback: Das Debütalbum von Marina Baranaova ist da. „Hypersuites“ begeistert. | Feuilletonscout

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