Zum Inhalt springen

Die Evolution elektronischer Musik: Pole „123“

No votes yet.
Please wait...

Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikZwischen 1998 und 2000 veröffentlichte der Wahl-Berliner Stefan Betke alias Pole seine ersten drei Alben, die rückblickend richtungsweisend für Glitch und Minimal Techno wurden. Von Ronald Klein.

Wie so häufig bei großen Werken stand zu Beginn ein Zufall. Man denke etwa an Andrej Tarkowskis Science-Fiction-Klassiker „Stalker“, in dem sich passend zum Narrativ des Films Schwarz-Weiß-Passagen mit Farb-Sepia-Tönen abwechseln. Später erläuterte der russische Regisseur, dass er „Stalker“ komplett in Farbe drehen wollte, die Produktionsfirma Mosfilm aber zum Teil defektes oder falsch deklariertes Material zur Verfügung gestellt hatte. Dies erwies sich aber letztlich als Glücksfall und so ging es auch Betke, als Mitte der 90er-Jahre an seinem Waldorf-Synthesizer knarzende Geräusche durch einen kaputten 4-Pole-Analogfilter entstanden. Diese wurden schließlich zum Markenzeichen von Pole.

Das Knarzen setzt bezeichnenderweise auf dem „1“-Opener ,Modul’ sogar noch von den Synthie-Sounds ein. Tracks wie ,Kirschenessen’ oder ,Berlin’ leben vor allem vom Assoziativen, das der Pole -Klangkosmos zulässt. Die elektronische Musik war in den 90er-Jahren beatorientiert. Je mehr Beats per Minute, umso besser. Die Stakkato-Rhythmen pulsieren perfekt auf dem Dancefloor – mit dem jedoch Pole nichts gemein hat. Seine Sounds sind zerfasert, die Songtitel alles andere als ein Türöffner. Betke erläuterte dies vor einigen Jahren in einem Interview. So betonte er, dass seinen Stücken ein Überbau fehle. Als er die Platte „Wald“ (2015) veröffentlichte, glaubten Journalisten, dass er Wolfgang Voigt und seinem Projekt Gas auf den Neo-Romantik-Trip folge. Betke stellte lakonisch fest, dass er lediglich gern in der Natur spazieren gehe und diese ansonsten nichts mit seiner Musik zu tun habe. Klar, Pole klingt urban. Und natürlich ist die vermeintliche Konzeptlosigkeit auch Koketterie, eine Aufforderung an den Hörer, selbst Zusammenhänge zu konstruieren.

Dass hier Betke nichts dem Zufall überlässt, illustriert das visuelle Konzept der Platten. „1“ kommt mit einem blauen Cover, „2“ folgt ganz in Rot und Gelb markiert den Abschluss der Trilogie, die beim unmittelbaren hintereinander Hören verdeutlicht, wie Pole die Dub-Wurzeln stärker hervorstreicht. Vor 20 Jahren waren die drei Scheiben ein Paukenschlag. Zwei Dekaden später ist die Faszination ungebrochen. „1“ bis „3“ bilden wie unter einem Brennglas die Evolution elektronischer Musik ab. Die Wiederveröffentlichung kommt auf CD und als Vinyl-Boxset mit der Bonus-12“ „Raum“, die ursprünglich 1998 als EP erschien.

Pole
123
Limited Edition
Box-Set, 3 CDs
Mute (Rough Trade) 2020
CD bei amazon kaufen oder nur hineinhören

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Ein Gedanke zu „Die Evolution elektronischer Musik: Pole „123““

  1. Lieber Pole,
    ich höre nur Rauschen, Knacken und einen Klangteppich. Oder verstehe ich die Musik nicht?

    No votes yet.
    Please wait...

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert