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Der Menschenmacher

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Der MenschenmacherStephan Balkenhol ist überall. Und das ist gut so. Kein anderer Künstler tut den Deutschen so gut. Mit seiner neuen Ausstellung in der Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg zeigt der Künstler, wie man zum Klassiker wird und dabei nichts von seiner Frische verliert.
Von Stephan Reimertz

Thomas Mann hat Stephan Balkenhol erfunden. Der Dichter feiert das »Wunder der wiedergeborenen Unbefangenheit« bei der von ihm geschaffenen Figur und fragt: »War es eine geistige Folge dieser „Wiedergeburt“, dieser neuen Würde und Strenge, dass man um dieselbe Zeit ein fast übermäßiges Erstarken seines Schönheitssinnes beobachtete, jene adelige Reinheit, Einfachheit und Ebenmäßigkeit der Formgebung, welche seinen Produkten fortan ein so sinnfälliges, ja gewolltes Gepräge der Meisterlichkeit und Klassizität verlieh?«

Wo Thomas Manns Dichter Gustav von Aschenbach sich allerdings an Strenge klammert – was ihm nicht gut bekommen wird – findet der Bildhauer Stephan Balkenhol die Würde des Menschen in der Entspanntheit. So scheint das Wunder wiedergefundener Unbefangenheit bei ihm noch größer als bei Aschenbach. Der Menschenschilderer in Thomas Manns Novelle verfiel der Tragik, Balkenhol, der Menschenbildner, fand starke Klassizität gerade darin, dass er dem Klassizismus nur ironisch verstehen mag. Gegen den »unanständigen Psychologismus der Zeit« wendet der Bildhauer sich freilich ebenfalls; besser gesagt: er ist ihm gleichgültig.

„Sphaera“ Stephan Balkenhol vor der Festung Hohensalzburg 2014 / Foto: Manfred-Werner (Tsui)

Der Mensch – endlich einmal entspannt

Seit Jahren erfüllt Stephan Balkenhol die deutschen Museen, den öffentlichen Raum und viele Privatsammlungen mit dem Esprit, der Wärme und einer sofort überzeugenden Präsenz seiner Figuren und Reliefs. Der Künstler arbeitet vorwiegend mit Pappelholz, was der Oberfläche und dem Holzkörper eine Frische und Lebendigkeit verleiht, die man sofort spürt, so dass man ausrufen möchte: Salvum fac populum tuum Domine! Alles lebt bei Stephan Balkenhol. Jeder ist gerettet und schon zu Lebzeiten erlöst.

In den etwa zwei Dutzend Werken, die gerade in der Galerie Ropac in Salzburg zu sehen sind – einer Gründerzeitvilla am Mirabellgarten – tritt Balkenhol in die große Kunstgeschichte ein, und das beiläufig, ohne jeden Pomp. Der Besucher wird begrüßt von einem überlebensgroßen Selbstportrait auf einem Holzblock mit Penis, ohne dass dieses Vorzeigen jene Peinlichkeit besitzt, die es bei vielen anderen Künstlern nicht verleugnen kann. Die Anmut, die sich durch alle seine Werke zieht, schützt Balkenhol vor allem Abgeschmackten. In Salzburg dekliniert der Künstler das Thema Selbstportrait durch, wie einst die Klassiker. Ecce homo – aber ohne Tragik. Er gibt den Deutschen, was ihnen am meisten fehlt: Gelöstheit.

Warum wir Stephan Balkenhol brauchen

Die Pointe der Ausstellung ist eine übergroße Parodie griechischer Vasen. Der Unterschied zu echten Exemplaren ist, dass sich bei Balkenhol ausschließlich Hetero-Paare vergnügen, während die alten Griechen Paare oder Gruppen jeder Zusammensetzung bevorzugten, (nicht nur in der Vasenmalerei). Der Künstler zeigt sich unterdessen als der Mensch schlechthin, einmal in Übergröße, einmal ratlos aber zuversichtlich als Nackter auf einem Holzblock sitzend (als wollte er Rodins Denker sagen: Schau, so geht es auch!), einmal als kleiner Prinz in blauen Mantel. Schmucke Frauen ergänzen seine Welt. Einmal huldigt er gar der Venus von Willendorf  mit einer unbemalten leicht ironischen und stark archaisierenden Urmutter.

Der Künstler ist 1957 geboren, er gehört also der Generation an, die bereits in völliger Ablehnung der ideologischen Ausläufer der Moderne aufwuchs. Die zersplitterte Spätmoderne lässt er hinter sich. Es spricht für ihn, dass er sich auch nicht von einer unverbindlichen Postmoderne vereinnahmen ließ. Vielmehr prägt ein konsequent durchgehaltener Formwille sein gesamtes Werk. Balkenhol beweist, dass alles auch ganz einfach sein kann. Mit dem Unideologischen, Ausbalancierten, menschlich Warmen und Eleganten in seinem vielköpfigen Werk zeigt uns der Bildhauer, wir auch wir eines Tages sein könnten. Der Künstler ist uns weit voraus.

Stephan Balkenhol. Neue Skulpturen
Ausstellung bis zum 28. Oktober 2017

Galerie Thaddaeus Ropac
Villa Karst
Mirabellplatz 2
5020 Salzburg

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 -18 Uhr
Samstag: 10 bis 14 Uhr

 

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