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Der Kampf ums Wasser

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Das Puppentheater La Gigantea inszeniert beim FriNGE-Festival eine politische Botschaft in fast schon halluzinatorischer Eindringlichkeit. Von Stefan Pieper.

Eine Mutter umsorgt ihr kleines Kind. Staub umweht die beiden Figuren und ihre wenigen Habseligkeiten. Das Kind sucht Schutz und Geborgenheit. Die Außenwelt ist mächtig, feindlich und unergründlich. Pentatonische Balafon-Klänge aus dem Off weisen nach Afrika. Das erste Bild des Puppentheaters „La Gigantea“ der Compagnie „Les Trois Clés“ könnte irgendwo im Sahel sein. Oder anderswo auf diesem Planeten, wo Menschen nichts als ihr Nacktes überleben haben, sind zahllos – und werden mehr, je drastischer sich die globale Verteilungs-Ungerechtigkeit von Ressourcen verstärkt. Nach dem ersten, idyllischen Bild soll es erst richtig schlimm kommen für diese beiden schutzlosen Menschen, die hier durch seltsame, irgendwie auch sehr anrührend wirkende Puppen dargestellt sind. Motorisierte Kolonnen machen den archaischen Frieden zunichte. Im Gleichschritt, bewaffnet und in Uniform breiten sich Diktatur und Gewalt aus. Der Kleine, gerade noch unschuldig an die Brust der Mutter geschmiegt, wird zum Kindersoldaten, muss das Töten erlernen.

Das Puppentheater La Gigantea verdichtet dieses traurige Thema zu einer Bühnenpräsentation, die in ihrer Eindringlichkeit fast schon halluzinatorisch daherkommt. Die Bühne, ist meinst im mysteriösen Halbdunkel gehalten. Seltsame Fabelwesen, schließlich sogar ein kafkaesk-martialisches Rieseninsekt, vollführen Veitstänze. Mystik ist immer ganz nah auf dem schwarzen Kontinent. Sie ist unergründlich, fordert Respekt, aber sie gibt auch Halt.

Diese Bilderflut gepaart mit mysteriösen Lichtstimmungen hat etwas vom magischen Realismus großer Romane, die in Afrika oder Südamerika spielen. Die Macht der Bilder findet in einer wahrlich markerschütternden Musik ihre eindringliche Entsprechung. Die akustischen, afrikanischen Klänge gehen alsbald in einer brachialen Industrial-Soundkulisse auf. Manchmal wird diese wieder unterbrochen durch arabische Klagegesänge in die mystische Nacht hinein. Es gibt in diesem Stück kein Handlungsziel, keine Moral und kein Fazit. Diese beiden zerbrechlichen Menschen kennen nur einen Weg: Nämlich sich in Magie und Imagination zu flüchten, dargestellt in einer Art Paradiesgarten. Westliche Rationalität, die letztlich allen Vereinnahmungen traditioneller Gesellschaften in Afrika oder auf anderen Kontinenten zu Grunde liegt, bietet ohnehin kaum Erklärungen für diese Menschen – deren einzige und wichtigste Habseligkeit oft ein Wasserkanister ist. Und genau darum geht es im Kern: Konzerne wittern schon heute Morgenluft, um die Verknappung von Ressourcen zugunsten des eigenen Profits auszunutzen. Wasser zur Handelsware werden zu lassen, ist eine Menschenrechtsverletzung. „La Gigantea“, packend und ergreifend atmosphärisch inszeniert von der Compagnie „Les Trois Cles“ hatte als verspieltes Puppentheater begonnen. Die Figuren sind liebevoll, fast naiv stilisiert und werden von schwarzgekleideten „unsichtbaren“ Akteuren gelenkt. Um so mehr ist jeder im Zelt des Fringe-Festivals von der hochpolitischen Botschaft des Stückes überwältigt. Nicht umsonst wird diese brasilianisch-chilenisch-rumänisch-französische Produktion von Amnesty International gefördert.

Das FRiNGE Festival

Das FRINGE Festival ist seit 2005 zu einem vielbeachteten „Nebenschauplatz“ der Ruhrfestspiele geworden. Nach dem Vorbild des FriNGE Festival ins Edinburgh tut sich hier alljährlich eine innovative Plattform für die freie Theaterszene auf, die letztlich auch die Besucher dazu ermutigt, etwas Neues zu wagen. Bemerkenswerte Künstler aus aller Welt und verschiedenen Genres präsentieren hier ihre Shows und stoßen auf ein großes, aufgeschlossenes Publikum.

Bewerben können sich Künstlergruppen, freie Theater oder Einzelpersonen, deren Produktion in einem freien, institutionell unabhängigen Kontext entstanden ist. Die Produktionen können den Genres Schauspiel, Tanztheater, Tanz (unterschiedlichste Richtungen), Physical Theatre, Akrobatik, Musik, Performance, Pantomime, Comedy, Multimedia etc. und auch Mischformen angehören. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein professioneller Anspruch seitens der Teilnehmer.

Weitere Infos unter www.fringefestival.de

 

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