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Das kollektive Gedächtnis hinterfragen

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikMit dem zweiteiligen Festival für Neue Musik „Memories in Music“ werden in der Berliner Akademie der Künste ästhetische Normen hinterfragt. Kuratorin Julia Gerlach beleuchtet im Gespräch mit Feuilletonscout-Autor Ronald Klein die Hintergründe der Veranstaltungen.

Feuilletonscout: Das Festival „Memories in Music“ setzt sich mit der Erinnerungskultur auseinander. Zugleich erinnert uns das Format auch an eine Zeit, in der Festivals zum Alltag gehörten?
Julia Gerlach: Ja, leider sind im Moment keine Festivals möglich, in denen das Haus der Akademie der Künste gefüllt ist von Klängen und Menschen. Wir vermissen die Lebendigkeit und den Austausch mit dem Publikum. Aber das Thema des Festivals ist auch über die digitalen Programme vermittelbar.

Feuilletonscout: „Erinnerungskultur“ ist ein weites Feld. Welche theoretischen und inhaltlichen Aspekte sind im Fokus des Festivals?
Julia Gerlach: Das Festival ist das Auftaktprojekt zu dem Schwerpunktthema der Akademie der Künste „Arbeit am Gedächtnis“. Erinnerungskultur bedeutet Arbeit und auch kritische Hinterfragung des Kanons, bedeutet, sich mit Geschichtsschreibung und Gedächtnis auseinanderzusetzen, über Archive, die ein zentrales Gedächtnis darstellen, nachzudenken und ihren Inhalt neu zu lesen.
Im Fokus des Festivals stehen Erinnerungen, die von den Komponisten in ihre Werke hineinkomponiert werden, um etwas zu bewahren oder auf etwas hinzuweisen. Manchmal ist eine bestimmte Musikrichtung oder eine indigene Klangsprache, die in den neu entstandenen Werken aufgehoben sind. Manchmal drückt eine Komposition aber auch eine Erinnerungsarbeit aus, wie im Fall von Kirsten Reese und Erkki Veltheim, die sich mit Kolonialismus in Australien anhand der Forschungsreisen des Brandenburgischen Naturforschers Ludwig Leichhardt und Wissensformen der Aborigines auseinandersetzen.

Feuilletonscout: Welche Uraufführungen können besonders hervorgehoben werden?
Julia Gerlach: Die Uraufführungen von Kirsten Reese, Erkki Veltheim und Carlos Gutierrez sind von der Akademie der Künste in Auftrag gegeben worden für dieses Festival und die thematische Ausrichtung. Viele Werke wurden für dieses Festival umgearbeitet.

Moskitonetz / Foto: Kirsten Reese


Feuilletonscout: Wie weit geht die Planung zu „Memories in Music“ zurück? Gab es eine Vor-Corona-Variante?
Julia Gerlach: Vor zwei Jahren haben wir beim Hauptstadtkulturfonds das Festival „Memories in Music“ beantragt. Es war als dichtes Konzertprogramm von vier Tagen geplant. Auch das Symposium war damals schon geplant. Uns war die internationale Begegnung wichtig, die Projekte waren dialogisch aufgebaut und sollten die internationale Szene mit der Berliner Szene musikalisch verbinden.

Feuilletonscout: Der ursprünglich geplante Outdoor-Parcours fällt nun weg, welche Formate bleiben erhalten und wie können Zuschauerinnen und Zuschauer (online) teilnehmen?
Julia Gerlach: Wir hatten schon im Januar, als sich abzeichnete, dass Konzerte nicht möglich sind, und vor allem auch keine internationalen Gäste, das Konzertprogramm vollkommen umgeplant. Aus den Konzerten ist ein digitales Programm entstanden und Installationen, die wir über den Parcours im Außenraum zugänglich machen wollten. Jeden Abend sollte es eine Filmproduktion zu sehen geben. Dieses digitale Programm haben wir nun erweitert durch Livestreams, die wir im Außenraum der Akademie der Künste aufnehmen werden. Insofern bleiben wir jetzt unserem Plan, draußen zu spielen treu, nur eben ohne Publikum. Wir haben auch ein paar Radiokompositionen, die im direkten Zusammenhang zum Programm stehen ausgewählt, die über einen QR-Code vor Ort am Hanseatenweg auf das Smartphone heruntergeladen werden können und mit denen man sich dann auf einen individuellen Hör-Spaziergang im Tiergarten begeben kann. Wir wollen damit die Anregung geben, Kultur nicht nur am Bildschirm zu rezipieren.


Feuilletonscout: Der erste Teil startet Anfang Mai, weiter geht es dann im August. Handelt es sich bei den Terminen um eine Notlösung –verbunden mit der Hoffnung, dass dann wieder Publikum dabei sein kann?
Julia Gerlach: Bereits im Januar haben wir diese Aufteilung in zwei Terminblöcke entschieden. Im Mai haben wir die Projekte gebündelt, die wir in einen Parcours und ein digitales Programm gut transformieren konnten. Die Künstlerinnen und Künstler waren alle faszinierend kreativ dabei. Allerdings fanden wir, dass sich zwei große Konzertprogramme für eine digitale Präsentation nicht eignen, daher haben wir versucht, einen Zeitraum zu finden, wo wir glauben, dass Konzerte mit Publikum wieder möglich sein werden. Einige der Installationen des Parcours haben wir nun auch in den August geschoben.

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