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Claude Debussy: „Harmonie du soir – Lieder“

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Debussy …et le Jazz. Von Ingobert Waltenberger.

Auf neun Publikationen ist es schon angewachsen, das große Projekt an Neuaufnahmen der Musik von Claude Debussy mit Künstlern des Labels in zumindest beabsichtigt künstlerisch und aufnahmetechnisch maßstabsetzenden Alben. Orchester- und Kammermusik standen bislang im Vordergrund. Auf zwei neuen CDs stellen Sophie Karthäuser (Sopran) und Stéphane Degout (Bariton) Lieder des französischen Impressionisten vor. Claude Debussy hat über 100 Mélodies der Nachwelt hinterlassen, von denen nur etwa die Hälfte zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurde.  Unbekannt sind vor allem Arbeiten aus seiner Studentenzeit (1880-1885) geblieben, in denen der in die charmante (Amateur-) Sopranistin Marie Vasnier verliebte Komponist experimentell das klangliche Ausleuchten kühner lyrischer Sprachwelten erkundete. Debussys bevorzugte Dichter für seine wie schwebend im Raum wandernden lautmalerisch-vokalen Assoziationen wie Banville, Verlaine, Villon, Bourget, Baudelaire und Mallarmé.

Das neue Doppelalbum enthält 44 Lieder aus allen Schaffensperioden. Musikalische Höhepunkte bieten die acht ‚Fêtes galantes‘ nach Gedichten des enfant terrible Paul Verlaine, teils in ihrer ausgefeilteren Zweitversion, die berühmten ‚Chansons de Bilitis‘, die trois ‚Chansons de France‘ und die drei ‚Balladen‘ nach Francois Villon. Während die beiden Pianisten Eugen Asti und Alain Planés großzügig und fantasiereich geschickt mit ihren Tasten ihre Leinwände aus Noten kolorieren, überzeugt von den Solisten vorbehaltslos nur Stéphane Degout. Mit seinem eleganten Kavaliersbariton und einer seiltänzerischen Balance zwischen Diktion und Klangfluss strahlt ein ganz großer französischer Liedinterpret nach dem Vorbild von Gérard Souzay am Horizont. Sophie Karthäuser bringt ihren Sopran in der Mittellage zwar schön zum Leuchten, die Stimme verengt und versteift sich aber in manch hohen Piani. Weniger an Vibrato vor allem in den aufgeregteren Passagen wäre zudem ein großes Plus für lautmalende Vokalarabesken.

 

© Harmonia Mundi

 

Was hat Debussy mit Jazz zu tun?

Gekannt haben dürfte Debussy kaum etwas von der Dixieland Jazz Band und noch weniger von den Cake Walks aus New Orleans. Umgekehrt haben aber Jazzmusiker mit universellem Anspruch wie Duke Ellington, Miles Davies oder John Coltrane von Debussy gelernt, sich von Konventionen zu emanzipieren und Grenzen zu überwinden. Vom Pianisten Bill Evans ist überliefert, er habe nie Jazz, sondern nur Debussy und Ravel geübt. Wenn also Debussy nicht zum Jazz kam, kommt diese Stilrichtung jetzt zu ihm.

So spielt das Streichquartett Quatuor Debussy mit Unterstützung der französischen Jazzmusiker Jacky Terrasson (Klavier), Jean-Philippe Collard-Neven (Klavier), Vincent Peirani (Akkordeon), Franck Tortiller (Vibraphon), Jean-Louis Rassinfosse (Kontrabass), Bearbeitungen von zehn der insgesamt 24 ‚Préludes‘. Die überwiegend heiteren Klavierstücke mit klingenden Namen wie ‚Schritte auf dem Schnee‘, ‚Im Schatten der Kathedrale‘ oder ‚Bussi’s  blues‘ sind in Arrangements von Alain Brunier, der Jazz-Musiker selbst und des Debussy-Quartetts zu hören. Natürlich ändert sich durch die größere Besetzung der genuine Charakter der Stücke. Pauschal könnte man sagen, weniger Mystizismus, dafür mehr an im Raum oszillierenden Lichtreflexen und erratischen Spaziergängen in neuen Klanglandschaften. Im Vergleich zu den durch die En-vogue-Bearbeitungen von Klaviermusik des J. S. Bach durch verschieden besetzte Instrumentalensembles ist die vorliegende CD eine Offenbarung. Die Bearbeitungen fügen der Essenz der Musik ein noch Mehr an stimmungsvollen Kontrasten und einen Hauch an Ewigkeitsduft hinzu. In der digitalen Online-Version gibt es noch den Bonus „L’Hommage à Sam Pickwick“, einem Prélude nach dem Roman von Charles Dickens mit einem feierlich neu gedeuteten „God save the Queen“.

 

© Harmonia Mundi

 

Weitere Titel der Debussy-Serie bei Harmonia Mundi

  • La Mer/Le Martyre de saint Sébastien, Symphonische Fragmente, Philharmonia Orchestra; Pablo Heras-Casado
  • Jeux/Nocturnes, Prélude à l’après-midi d’un faune; Les Siècles; Francois-Xavier Roth
  • Préludes du 1er Livre, Estampes; Javier Perianes
  • Streichquartett Op. 10, Ravel Streichquartett; Jerusalem Quartett
  • Suite bergamasque, Werke für Klavier Solo; Nikolai Lugansky
  • Les Trois Sonates; Isabelle Faust, Alexander Melnikov, Jean-Guihem Queyras, Javier Perianes, Antoine Tamestit, Xavier de Maistre, Magali Mosnier, Tanguy de Williencourt

Claude Debussy
Harmonie du soir – Lieder
Harmonia Mundi 2018
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