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Back to Basics: Nils Frahm „Graz“

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Nils Frahm veröffentlicht Aufnahmen aus den Anfangstagen seiner Karriere.
Rezension von Ronald Klein.

Der Berliner Nils Frahm gilt seit gut einer Dekade als Teil der weltweiten Speerspitze junger Pianisten und Komponisten, die an der Schnittstelle von Neo-Klassik und Kammerpop agieren und dabei auch elektronische Einflüsse in ihren Sound integrieren. Unbeirrt folgte der inzwischen 38-Jährige seiner ästhetischen Vision: Ganz gleich, ob er vor anfänglich im Radialsystem – der feinsten Berliner Adresse für Neue Musik und Choreografie – spielte oder mittlerweile weltweit die großen Säle füllt. Ausverkauft sind seine Konzerte grundsätzlich. Auf der Bühne befindet sich neben einem Flügel stets auch ein Synthesizer und das E-Piano Fender Rhodes. Manchmal sind es noch mehr Tasteninstrumente, sodass der gebürtige Hamburger eine regelrechte Wall of Sound aufbaut.

Die Begeisterung für sein Instrument führte sogar dazu, dass Nils Frahm 2015 den Piano Day initiierte. Der 29. März ist der 88. Tag im Jahr, so wie das Klavier 88 Tasten hat. Anlässlich dieses Datums erschien ein neues Album, schlicht „Graz“ betitelt. Darauf klingt der Musiker, als kehre er zu seinen Wurzeln zurück. Keine Elektronik, keine Field Recordings wie auf „Spaces“ (2013) und ebenso keine Effekte, die den sorgsam präparierten Instrumenten entlockt werden. Tatsächlich handelt es sich um eine Zeitreise, die dokumentiert, wie der damals 26-Jährige sein Spiel definierte. Aufgenommen wurde die Platte im Jahr 2009 im Mumuth, dem Haus für Musik und Musiktheater der Kunstuniversität Graz. „Graz“ fungierte als Teil der Abschlussarbeit Conversations for Piano and Room, produziert von Thomas Geiger, der dafür im selben Jahr den ersten Preis in der Kategorie Classical Surround Recording der 127. AES Convention in New York in Empfang nehmen durfte.

 „Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich die Musik während der Graz-Sessions richtig aus dem Flügel herauspressen musste“, verrät Frahm in den Liner Notes. „Und auch wenn ich diese Aufnahmen heute sehr gerne höre, habe ich sie eine ganze Zeit lang aus gutem Grund unter Verschluss gehalten: Ich höre darin eine deutlich jüngere Version von mir selbst, und viele der musikalischen Ausdrucksformen von damals könnte ich heute unmöglich nachmachen.“ Natürlich enthalten die Kompositionen bereits die Handschrift, die man Frahm unmittelbar zuordnet: Ein ausgesprochenes Gefühl für Harmonien, die spielerisch mit einer frischen Unmittelbarkeit eingehen. Frahm hat sich über die Jahre selbstredend weiterentwickelt – als Pianist, Komponist und Klang-Visionär. So klingt „Graz“ zwar im Vergleich mit seinem späteren Werk deutlich konventioneller. Ästhetisch ist es trotzdem großes Kino – ein erfüllendes Hörerlebnis.

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