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Ausstellung in Dresden: „Männlicher Krieg – Weiblicher Frieden?  GEWALT UND GESCHLECHT“.

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Feuilletonscout sprach mit der Historikerin Dr. Corinna von List über die aktuelle Ausstellung im Militärhistorischen Museum Dresden. Von Barbara Hoppe.

Feuilletonscout: „Männlicher Krieg – Weiblicher Friede? Gewalt und Geschlecht“ heißt die aktuelle Ausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden. Erwartet den Besucher eine Schau, in denen Stereotype bestätigt werden?
Corinna von List: Überhaupt nicht. So, wie sich die Ausstellung präsentiert, muss eine intensive und Epoche übergreifende Recherche seitens des Militärhistorischen Museums Dresden vorgenommen worden sein. Denn wie hätte man sonst den auf den ersten Blick so plakativen – wenn nicht gar klischeehaften – Titel « Männlicher Krieg- weiblicher Friede» so profunde und greifbar unterlegen können?

Feuilletonscout: Was hat Sie persönlich beeindruckt?
Corinna von List: Schön ist der Prolog mit der Reproduktion von Gemälden zahlreicher bekannter Schlachten, Könige und Kaiser, die in diesem Fall alle von Malerinnen stammen, deren Namen bisher in den Inventarlisten der Depots schlummerten.
Allerdings schon eine der ersten Fotoserien der Ausstellung mit Szenen amerikanischer GIs in einem Bordell in Vietnam lassen die Besucher und Besucherinnen nachdenklich zurück: In diesem Moment ist keine Kriegs- oder Kampfsituation unmittelbar gegenwärtig und doch bedeutet dies für die Frauen eben keinen Frieden. Im Gegenteil: sie werde gerade dann verstärkt Opfer von Menschenverachtung, Vergewaltigung und nicht zuletzt Vertreibungen durch den militärischen Sieger.

American soldiers play with Vietnamese prostitutes in ruins of bombed village during an operation outside Saigon during the Vietnam War in South Vietnam in the late 1960s. (Photo by nik wheeler/Corbis via Getty Images)

Feuilletonscout: Häufig sind Frauen Opfer von Gewalt oder werden pauschal als solche benannt. Ist es so einfach?
Corinna von List: Die Ausstellung erliegt nicht der Versuchung, Frauen ausschließlich aus der Opferperspektive darzustellen. So führten Frauen durchaus aus eigenem Antrieb Krieg, um ihre Machtposition abzusichern wie etwa Elisabeth von England oder die Marquise de Pompadour, der Gründerin der Ecole militaire in Paris.
Frauen konnten auch machtbesessene Täterinnen sein, wie Ilse Koch, die als Ehefrau des Lagerkommandanten von Buchenwald vor keiner Grausamkeit zurückschreckte.

Judith mit dem Haupt des Holofernes (nach L. Crancah d. Ä.) / MHM / Andrea Ulke

Feuilletonscout: Ihr Fachgebiet ist die Widerstandsforschung und darin vor allem auch die Rolle der Frauen. Wie greift die Ausstellung in Dresden das Thema auf?
Corinna von List: Es freut mich sehr, dass diese mutigen Frauen einen Platz in der Ausstellung gefunden haben. Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass die Rolle von Frauen bei der Rettung verfolgter Menschen stärker als aktives widerständiges Handeln dargestellt worden wären als sie unter der Überschrift « Stille Heldinnen» zu subsumieren. Wer rassisch oder politisch verfolgte Menschen vor dem Zugriff der Häscher des NS-Regimes bewahrt hat – und hier ist Hans Rosenthal nur das prominenteste Beispiel- hat Widerstand geleistet. Diese Frauen waren Widerstandskämpferinnen – ihnen sollte mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden als der Titel der «stillen Heldinnen».

Feuilletonscout: Was ist in Ihren Augen besonders gelungen?
Corinna von List: Besonders gelungen ist der Epoche übergreifende Ansatz von der Frühen Neuzeit bis zum Einsatz von Frauen in den Armeen des 21. Jahrhunderts. Dabei werden auch Ereignisse der Emanzipationsgeschichte mit einbezogen: So wagte es doch die «Emanze» Lenelotte von Bothmer 1970 (!) in einem Hosenanzug das Rednerpult des Bundestages zu betreten. Sie wurde dafür nicht nur vom Bundestagspräsidenten gerügt, sondern erhielt auch anonyme Zuschriften mit Beschimpfungen, von denen einige ausgestellt werden. Ein Umstand, der heute kaum zu glauben ist!

Corinna von List verknüpft in ihrer Forschungsarbeit Fragen der Militärgeschichte mit dem Gebiet der Gender Studies und der Widerstandsforschung. Mit ihrer Promotion «Frauen in der Résistance 1940-1944. Der Kampf gegen die «Boches» hat begonnen», hat sie die Risiken untersucht, denen Frauen angesichts des deutschen Repressionsapparats insbesondere der Militärjustiz bei widerständigem Handeln ausgesetzt waren.

Sie arbeitet heute als freiberufliche Wissenschaftlerin und unterstützt durch Archivrecherchen mit ihrem Unternehmen Blatt- und Bild Archiv-Recherche Journalisten und Dokumentarfilmer, die sich mit Fragestellungen der Kulturgeschichte der Gewalt und Repression insbesondere für die Epoche der Weltkriege befassen.  Sie wertet hierfür in deutschen, französischen und britischen Archiven zeitgenössische Unterlagen und Bilddokumente aus. Ihre Devise lautet: „Archive und Bilddokumente zu durchforsten ist meine Leidenschaft, nichts ist spannender!“

Männlicher Krieg – Weiblicher Frieden?
GEWALT UND GESCHLECHT
Ausstellung bis zum 30. Oktober 2018

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Olbrichtplatz 2
01099 Dresden

Öffnungszeiten:
Montag: 10-21 Uhr / ab 18 Uhr Eintritt frei
Mittwoch: geschlossen
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag: 10-18 Uhr / ab 17 Uhr Eintritt frei

7 Euro/4 Euro

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