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Auf ein „Gespräch“ mit Hans Rusinek

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interview-feuilletonscoutgeführt von Susanne Falk.

Wenn es um falsch gesetzte Anführungszeichen im öffentlichen Raum geht, dann ist Hans Rusinek „unser Mann“. Der Unternehmensberater, Publizist, Organisationsforscher und Dozent sammelt mit Leidenschaft für seinen Instagram-Account „Awkward Anführungszeichen“ Bildmaterial aus dem deutschsprachigen Schilderwald. Nun erscheint das Ganze auch in Buchform unter dem Titel „Das Buch der absurden Anführungszeichen“.

Hand aufs Herz, Hans: Wann hast du das letzte Mal unbefangen Anführungszeichen gesetzt?

Ach, es passiert ständig. Ganz schlimm ist es bei mir gar nicht im geschriebenen Text, sondern wenn ich spreche und dann beispielsweise sage: „Das ist ja auch so eine – in Anführungsstrichen – Beschäftigung“ oder die Dinger sogar beim Sprechen mit den Fingern in die Luft male. Ich werde das wohl nie wieder los, aber mit dem Buch kann ich zumindest dafür sorgen, dass ich nicht alleine bin mit meinem Leid.

Aus österreichischer Perspektive treiben es die Wiener ja weit bunter mit den Anführungszeichen als alle anderen. Liegt das an dem sprichwörtlichen „goldenen Herzen“ der Wiener? Nettsein geht ja theoretisch anders und Ironie ist alles in dieser Stadt!

Das ist eine sehr gute Frage, über die ich schon sehr lange nachdenke. Ich habe ein paar Theorien gesammelt, auch von der Community auf Instagram. Such dir eine aus: Wiener haben ohnehin eine distanzierte Haltung zum Hochdeutschen, Wiener sind als Vertreter ihrer Literaturmetropole eben gerne sprachvirtuos, Wiener leben ebenso gerne den charmanten Sarkasmus ihrer „goldenen Herzen“ aus. Vielleicht gibt es auch einfach sehr viele Schilder mit Regelungen, Ankündigungen, Verlautbarungen, wo dann eben auch viele Anführungszeichen Platz finden? Aber, ob sie im Schilderaufstellen wirklich die Deutschen überholt haben, muss bezweifelt werden…

Ein absolutes Highlight des Buchs ist die Seite 177. Erkläre doch mal den Laien: Was bitte waren anti-„es“-Pillen? Klingt ganz so, als müsste man die an alle Freudianerinnen verteilen.

Dieses Fundstück gibt es im Bonner Haus der Geschichte. Ein schönes Beispiel für Anführungszeichen, die Unsagbares verschleiern, die tarnen und täuschen sollen.

Was ist die Anti-„Es“-Tablette? Der klare Begriff ‚Antibabypille’ wurde erst in den 1960er-Jahren gesellschaftlich akzeptabel. Zuvor mussten Namen gleichzeitig verschleiern und viel versprechen. So etwa bei der Tablette ‚Anti-Es’: Sie wurde in die Scheide eingeführt und sollte die Wanderung der eingedrungenen Spermien blockieren. Was ist das „Es“? Das Spermium, die Einnistung, das Baby, die gesellschaftliche Ausgrenzung? Vielleicht landen wir dann echt bei Freud und den unbewussten, verdrängten Affekten?

Für alle Fans der Serie Friends empfiehlt sich die Folge 2 der 9. Staffel, in der Joey nicht und nicht verstehen will, wie man Anführungszeichen setzt. https://www.youtube.com/watch?v=bIIm7yBdUG4 Ist das vielleicht auch deine Lieblingsfolge?

Cover: Seltmann Publishers

Absolut, Joey hat die Air-Quotes, die Luftanführungszeichen, berühmt gemacht und wir verdanken ihm „viel“. Ein weiterer Gigant war Virgil Abloh, der leider viel zu früh verstorbene Modedesigner, dessen Markenzeichen ebenfalls Anführungsstriche waren.

Okay, „wir“ versuchen ein „Experminent“: Wieviele „Anführungszeichen“ bekommen „wir“ in einem „Satz“ unter, ohne dass es „lächerlich“ wird?

Wenn’s um die Kategorie „Viel-hilft-viel“ geht kann ich nur auf einen Zettel in einem Supermarkt verweisen, mitten in der Pandemie, die ja auch eine sprachliche Extremsituation war. Dort stand:

““““““Achtung“““““
„Eintritt nur“

mit

„Einkaufswagen“

Zu Anführungszeichen sagt man mitunter auch Gänsefüßchen, Tüddelchen, Zitatzeichen oder, mein persönlicher Favorit, Möwchen. Hast du ein Wort für dich gefunden, dass falsch gesetzte Anführungszeichen bezeichnet? Ein Vorschlag wäre etwa „falsches Möwchen“.

Falsches Möwchen kannte ich noch nicht, richtig klasse! Mehr fällt mir auch nicht ein.
Aber eine Sache vielleicht noch: Bei fast jedem Exponat auf Instagram gibt es eine Diskussion, ob diese Verwendung nun wirklich falsch ist und wenn ja, nach welchen Regeln eigentlich. Ich versuche nun sehr darauf zu achten, nicht so ein weiteres Grammar-Nazi-Buch herauszubringen (wie „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“). Mir geht es genauso wenig um „richtig“ oder „falsch“, wie es mir darum geht den Autor eines Fundstücks und seinen ungenügenden Sprachgebrauch anzukreiden. Die Awkwardness steht für mich im Mittelpunkt und die entsteht aus den Bedeutungszusammenhängen auf der Oberfläche, ob die Zeichen dann richtig oder falsch verwendet sind, ist eigentlich egal. Und die Autoren will ich dann auch nicht angreifen: Auf den Ball spielen – nicht auf den Menschen, wie man im Fußball sagt.

Vielen „Dank“ für das Gespräch, „lieber“ Hans!

Hans Rusinek
Das Buch der absurden Anführungszeichen
Das Buch zum Instagram Hit @awkward_anfuehrungszeichen
Seltmann Publishers, 2022
bei amazon

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