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!Tipp: “Ein Frühling in Jerusalem” von Wolfgang Büscher

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 Rezension von Barbara Hoppe

Feuilletonscout empfiehlt “Ein Frühling in Jerusalem” von Wolfgang BüscherNormalerweise wandert Wolfgang Büscher: einmal an den Außengrenzen von Deutschland entlang, quer durch Amerika (vgl. Feuilletonscout v. 17.5.2011) oder von Berlin nach Moskau, ein Marsch, der ihn durch sein Buch „Berlin-Moskau“ (vgl. Feuilletonscout v. 28.8.2012) im Jahr 2004 schlagartig bekannt machte.

Nun also Israel, genauer, Jerusalem. Wandern kann man hier nicht. Das Land ist viel zu klein. Aber man kann verweilen, umherwandeln, beobachten – und darüber schreiben. Wolfgang Büscher blieb einen Frühling lang in Jerusalem, zuerst in einem kargen arabischen Hostel, später etwas komfortabler in einem griechischen Konvent.

In den rund zwei Monaten durchstreift er die Stadt und ihre Geschichte, wandert durch das christliche, das arabische, das armenische und das jüdische Viertel, in denen die Atmosphäre unterschiedlicher kaum sein kann, beobachtet die fliegenden Händler, die Frommen und die Pilger, trifft auf Moderne und Tradition, erlebt das Osterfest, das jede Religion auf ihre Art begeht, bestaunt den Umgang mit der Auferstehungskirche und stellt immer wieder die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart her. Gewohnt eloquent und mitreißend zieht er den Leser in die wimmelnde, religiöse Stadt, nicht zuletzt auch durch Gespräche, die er mit alteingesessenen Stadtbewohnern führt, und die von einer Zeit erzählen, die längst verschwunden ist. Wie Charly Effendi, ein alter Armenier, das Gedächtnis der Stadt, der Paris liebt und einer vergangenen Zeit angehört, oder Nora, die 1948 aus dem Westteil der Stadt fliehen musste und Haus und Land verlor, meist in New York, aber für die Erinnerung an das alte Jerusalem lebt oder aber Wasif, der als junger Mann umwerfend gut aussah und die Bohème der Zeit mit seinem Gesang aufmischte.

Dabei muss man von Jerusalem und der israelischen Geschichte nicht allzu viel verstehen, um folgen zu können. Dies ist ein unermesslicher Vorteil des Buchs. Denn Wolfgang Büscher schafft es spielerisch, die Balance zwischen geschichtlichen Exkursen und gegenwärtigen Ereignissen zu halten, um den Leser nicht durch langatmige Ausflüge in die Vergangenheit zu ermüden oder zu oberflächlich zu bleiben. Als aufmerksamer und sensibler Beobachter zeigt Büscher zudem deutlich, wie fragil der Friede der Stadt ist.

Feuilletonscout meint: Eine lesenswerte Lektüre, die uns durch die Brille des Besuchers eine faszinierende Stadt näher bringt, so, als würde man selbst über die Plätze, durch die Tore und die schmalen Gassen Jerusalems schreiten, die Prozessionen in der Via Dolorosa und die Gebete an der Klagemauer erleben. Wenn Wolfgang Büscher am Ende Jerusalem dankt und fragt: „Kehrte ich je von einer Reise so reicht beschenkt heim wie von dieser?“, dann glaubt man ihm aufs Wort – und wäre gern dabei gewesen.

Wolfgang Büscher
Ein Frühling in Jerusalem
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2014
Leseprobe_Ein Frühling in Jerusalem

 

 

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