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„Der Unsichtbare“. Ein Jazz-Melodram nach dem Roman von Ralph Ellison

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Eine Feuilletonscout-Rezension von Barbara Hoppe

„Der Unsichtbare“. Ein Jazz-Melodram nach dem Roman von Ralph EllisonAugust Zirner und die HR-Bigband schaffen eine eindringliche Mahnung, die aktueller denn je ist.

Ein Mensch wird unsichtbar. Er verschwindet einfach. Ralph Ellison, 1914 in Oklahoma City geboren, schuf seinen einzigen Roman „The Invisible Man“ 1952. Rassentrennung war an der Tagesordnung und Ellison, selbst Afroamerikaner, konnte nur dank eines Stipendiums Musik studieren, wechselte zur Bildhauerei, engagierte sich schließlich politisch und schrieb „Der Unsichtbare“. Es sollte sein einziger Roman bleiben, aber er brachte ihm den National Book Award und in der Folge eine Reihe von Lehraufträgen. 1965 wurde der Roman zum bedeutendsten Werk der US-Literatur der vorangegangenen Jahrzehnte gewählt.

„Der Unsichtbare“ ist ein aufwühlendes Werk, das heute ungeahnte Aktualität hat: Ein junger Mann, ein Schwarzer, erfährt sich selbst als unsichtbar. Seine Mitmenschen nehmen ihn nicht wahr, und er beschließt, tatsächlich zu verschwinden. In einem von 1.369 Glühbirnen erhellten Keller lebt er fortan und schreibt sich seine Wut von der Seele. Eine Wut, die angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage schaudern lässt. „Todd Clifton. Erschossen von einem Polizisten wie in einem Zeichentrickfilm. Er glaubte, er sei ein Mensch, aber er war nur Todd Clifton“. Und er war schwarz. Menschenverachtung spricht  aus diesen Zeilen und ein grandioser August Zirner schreit sie uns entgegen.

Gemeinsam mit der HR-Bigband (an der Posaune: Manfred Honetschläger)  liest Zirner ein Jazz-Melodram, in dem die Musik eindringlich kommentiert, zuspitzt und Atmosphäre schafft. Sie stammt aus der Feder von Jim McNeely, seit 2011 Chefdirigent der HR-Bigband. Ralph Ellison hat selbst Jazz gespielt, „The Invisible Man“ bezieht sich immer wieder auf Jazzstücke, das Werk entstand, als Charlie Parker, Max Roach und Dizzy Gillespie die Jazzbühnen aufmischten, und so ist es nur folgerichtig, das Stück sprachlich wie musikalisch in Jazz-Improvisationen einzubetten.

„Der Unsichtbare“ ist kein bequemes Hörspiel, kein Wohlfühl-Stück vor dem Einschlafen. Aber es ist ein verdammt gutes, wichtiges Stück Musik-Literatur in einer – man muss es leider sagen – Zeit, in der Ausgrenzung und Abschottung gegenüber anderen Menschen wieder populär wird.

August Zirner/Jim McNeely und die HR-Bigband
Der Unsichtbare
Glm Gmbh (Soulfood), 2016
Die CD Der Unsichtbare bei amazon

 

 

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